26. Oktober 2017

„Derby wird echte Herausforderung“

Argirios Giannikis vor dem anstehenden Heimspiel gegen Rot-Weiß Oberhausen. (Foto: Tillmann)
Argirios Giannikis vor dem anstehenden Heimspiel gegen Rot-Weiß Oberhausen. (Foto: Tillmann)

RWE-Cheftrainer Argirios Giannikis vor dem Heimspiel gegen Rot-Weiß Oberhausen.

Eine viel attraktivere Partie hätte sich Argirios „Agi“ Giannikis, neuer Trainer bei Rot-Weiss Essen, für seine Heimpremiere kaum „aussuchen“ können. Nach dem gelungenen Einstand des 37-jährigen Fußballlehrers mit den Siegen im Niederrheinpokal-Achtelfinale beim Lokalrivalen und Oberligisten ETB Schwarz-Weiß Essen (2:0) und im ersten Punktspiel bei Alemannia Aachen (2:1) steht nun das Derby gegen Rot-Weiß Oberhausen an.

Giannikis, Nachfolger des beurlaubten Sven Demandt, ist neu im Westen. Der gebürtige Nürnberger mit griechischen Wurzeln wuchs in Karlsruhe auf, studierte in Mannheim und hat seinen Lebensmittelpunkt mit Ehefrau Rula und Sohn Mattheo (15 Monate) in Frankfurt. Das zweite Kind ist unterwegs. Als Co- und Nachwuchstrainer arbeitete er lange für den Karlsruher SC und zuletzt für den FC Ingolstadt 04. Im Interview mit der „kurzen fuffzehn“ nimmt der neue RWE-Cheftrainer ausführlich Stellung.

Hallo „Agi“! Mit dem 2:0-Pokalsieg beim ETB Schwarz-Weiß und dem 2:1-Auswärtserfolg in der Liga bei Alemannia Aachen hast Du als RWE-Trainer einen Einstand nach Maß erwischt. Es hätte nicht viel besser laufen können, oder?

„Mich hat vor allem gefreut, dass die Mannschaft schon einiges von dem auf dem Platz umsetzen konnte, was wir uns zuvor im Training erarbeitet hatten. Dabei waren es zwei Spiele mit Brisanz und in Aachen kam auch noch ein früher Rückstand erschwerend hinzu. Das Team hat aber weiter an sich geglaubt, an unserem Plan festgehalten und Leidenschaft gezeigt. Daher war der Sieg aus meiner Sicht auch absolut verdient. Die erste Etappe ist damit geschafft. Es steht aber auch außer Frage, dass noch jede Menge Luft nach oben ist.“

Kommen wir zunächst zu den positiven Aspekten: Was hat Dir besonders gut gefallen?

„Wie schon gegen den ETB haben wir auch in Aachen kaum Torchancen zugelassen. Wir hatten eine gute Grundordnung auf dem Platz und konnten die Konterangriffe des Gegners in der Regel gut kontrollieren. Der Siegtreffer kam durch einen mustergültigen Konter wie aus dem Lehrbuch zustande. Das war schon gut anzusehen.“

Was kann bzw. was muss besser werden?

„Wir haben recht viele Standards zugelassen, hatten zwischenzeitlich ein wenig die Kontrolle über die Partie verloren. Wir haben insgesamt viel Arbeit vor uns.“

In der Abwehr hattest Du auf eine Dreierkette umgestellt. Bleibt es vorerst dabei?

„Das ist durchaus denkbar, aber auch nicht in Stein gemeißelt. Wenn es besser zum Spiel und zum Gegner passt, kann es auch sein, dass wir mit Viererkette antreten. Wichtiger als das System ist ohnehin das Verhalten der Spieler.“

Hervenogi Unzola spielte erstmals auf der für ihn ungewohnten rechten Seite. Wie bewertest Du seine Leistung?

„Vor dem 0:1 hatte er eine unglückliche Aktion. Danach hat er sich aber schnell gefangen und es – wie die gesamte Mannschaft – sehr gut gemacht.“

Seit knapp zwei Wochen bist Du jetzt im Amt. Worauf kam es Dir in den ersten Tagen besonders an? Welche Maßnahmen hast Du eingeleitet?

„Gerade zu Beginn war es entscheidend, dem Team Sicherheit und Stabilität zu geben. Ich habe versucht, das durch möglichst viele Erfolgserlebnisse im Training und durch zahlreiche Einzel- und Gruppengespräche zu erreichen. Ich musste den Jungs mit meinem Trainerteam zunächst die Angst nehmen, Fehler zu machen.“

Welche mittel- und langfristigen Pläne verfolgst Du? Immerhin hat der Verein das Ziel ausgegeben, spätestens in der nächsten Saison ganz oben anzugreifen!

„Der Verein ist ambitioniert, ich bin es als Trainer nicht weniger. Allerdings bin ich kein Sprücheklopfer, der gleich große Ankündigungen macht. Wir wollen uns in kleinen Etappen verbessern und einen Schritt nach dem anderen machen.“

Der nächste Schritt könnte schon am Samstag im Derby gegen Rot-Weiß Oberhausen gemacht werden. Wie groß ist die Vorfreude auf Dein erstes Heimspiel?

„Selbstverständlich freue ich mich sehr darauf, am Samstag in unserem Stadion vor den eigenen Fans zu spielen. Es wird mit Sicherheit eine große Kulisse und ein schöner Rahmen.“

Wie gut bist Du schon über den Gegner informiert?

„Ich habe mir – wie von jedem Gegner – auch von Oberhausen Spiele auf Video angesehen und außerdem die Gelegenheit genutzt, RWO beim 4:0 gegen den Bonner SC noch einmal selbst zu beobachten. Wir treffen auf einen kompakten Gegner, der geradlinig nach vorne spielt. Die Partie wird für uns eine echte Herausforderung, der wir uns aber sehr gerne stellen.“

Du stammst nicht aus der Region, warst zuvor auch noch nie im Westen tätig. Dennoch wurden gerade Deine Kenntnisse der Mannschaft und der Regionalliga West besonders gelobt. Wie hast Du Dir dieses Wissen angeeignet?

„In den letzten Monaten war ich bundesweit in allen Regionalliga-Staffeln, aber auch in den Junioren-Bundesligen unterwegs, um mich zu informieren und mich gut auf einen Job als Cheftrainer vorzubereiten. Als dann die Anfrage von RWE kam, habe ich mich selbstverständlich besonders intensiv mit dem Team beschäftigt, die einzelnen Spieler analysiert und meine Eindrücke in den Gesprächen mit dem Verein formuliert.“

Warst Du sofort einverstanden, als Dir der Verein zunächst „nur“ einen Vertrag bis zum Saisonende angeboten hat?

„Das haben wir ja gemeinsam entschieden. Beide Seiten haben schnell gemerkt, dass sie unbedingt zusammenarbeiten wollen. Ich persönlich wollte auch so schnell wie möglich anfangen. Deshalb haben wir uns zunächst auf den Vertrag bis Juni verständigt. Wenn die Situation besser ist, werden wir uns sicher die Zeit nehmen, um über eine längerfristige Zusammenarbeit zu sprechen. Jetzt haben erst einmal andere Dinge Priorität.“

Kannst Du schon nach kurzer Zeit deutliche Unterschiede in der Außenwahrnehmung des Traditionsvereins Rot-Weiss Essen und der Innenansicht feststellen?

„Eigentlich eher nicht. RWE ist ein großer Verein mit riesiger Tradition und einer außergewöhnlichen Fanbasis, ist professionell aufgestellt und wird seriös geführt. Das war mein Bild vorher und das hat sich bisher auch so bestätigt. Dass der Verein und seine Anhänger geradezu nach Erfolg lechzen, ist an jeder Ecke zu spüren.“

Du warst beim Karlsruher SC und beim FC Ingolstadt 04 viele Jahre Co-Trainer von Markus Kauczinski tätig. Was hast Du aus dieser Zeit vor allem mitgenommen?

„Markus ist ein absoluter Fachmann, von dem man sehr viel lernen kann. Er verfügt über sämtliche Kompetenzen, die ein erfolgreicher Trainer benötigt. Besonders imponiert hat mir seine Art der Mannschaftsführung. Auch der Umgang mit den Medien ist vorbildlich. Wir sind nach wie vor gute Freunde. Aber nach den vielen Jahren als Co-Trainer ist es für mich jetzt an der Zeit, alleinverantwortlich zu arbeiten.“

Stehst Du als Trainer für ein bestimmtes System oder eine bestimmte Spielphilosophie?

„Für ein bestimmtes Spielsystem nicht, da bin ich als Trainer schließlich auch von meinen Spielern und vom jeweiligen Gegner abhängig. Für mich ist vor allem eine gute Raumaufteilung ein wesentlicher Bestandteil, um erfolgreich sein zu können. Hinzu kommen eine kompakte Verteidigung, möglichst schnelle Ballgewinne, die Kontrolle über das Umschaltspiel des Gegners und ein zielorientiertes Spiel bei eigenem Ballbesitz.“

Deine Ausbildung zum Fußballlehrer hast Du 2015/2016 an der Seite der heutigen Bundesligatrainer Julian Nagelsmann, Domenico Tedesco und Alexander Nouri absolviert. War diese Entwicklung schon damals zu ahnen?

„Es war auf jeden Fall zu spüren, dass die Qualität im Kurs sehr hoch war. Überhaupt ist die Ausbildung an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef herausragend. Dass sich für verschiedene Teilnehmer der Erfolg dann so schnell eingestellt hat und viele schon jetzt als Cheftrainer im Profifußball arbeiten, ist sicher außergewöhnlich, aber auch von vielen verschiedenen Faktoren abhängig.“