10. August 2017

„Ein besonderes Los für mich“

RWE-Cheftrainer Sven Demandt vor Pokalduell mit Ex-Klub Borussia Mönchengladbach

Vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2015 stand RWE-Cheftrainer Sven Demandt bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag: Erst zwei Jahre als U 19-Trainer, dann fünf Spielzeiten als U 23-Coach. In der ersten Runde des DFB-Pokals kommt es am heutigen Freitag ab 20.45 Uhr unter Flutlicht an der Hafenstraße zum Wiedersehen mit seinem Ex-Klub, wenn die Profis des fünfmaligen Deutschen Meisters und dreimaligen DFB-Pokalsiegers in Essen gastieren. Vor dem Duell mit der „Fohlenelf“ nimmt Sven Demandt im ausführlichen Interview mit der „kurzen fuffzehn“ Stellung.

Hallo Sven! Wie sehr hat die Heimniederlage gegen den Wuppertaler SV die Vorfreude auf das Pokalduell mit dem Bundesligisten Borussia Mönchengladbach getrübt?

Sven Demandt: Am Tag nach dem Spiel stand ganz klar noch die Enttäuschung über unserem Auftritt im Vordergrund. Da gab es einiges aufzuarbeiten. Wir haben die Fehler analysiert und klar angesprochen. Erst danach haben wir mit der Vorbereitung auf Gladbach begonnen. Selbstverständlich freuen wir uns jetzt auf diesen Höhepunkt, den wir uns im letzten Niederrheinpokal-Wettbewerb hart erarbeitet und verdient haben.

Dennoch zunächst ein Blick zurück: Wie schmerzlich war das Derby gegen den WSV?

SD: Keine Frage: Es hat schon weh getan. Das lag sicher auch am Ergebnis, vor allem aber an unserer eigenen Leistung. Wir haben einfach ein schlechtes Spiel abgeliefert. Die Niederlage war daher auch verdient und folgerichtig.

Dabei waren die Voraussetzungen eigentlich perfekt: Eine starke Leistung im ersten Saisonspiel beim BVB, eine große Kulisse an der Hafenstraße, eine unveränderte Startformation – und dann auch noch ein früher Führungstreffer durch Kevin Grund. Etwas salopp gefragt: Was ist dann plötzlich schiefgelaufen?

SD: Eine schwierige Frage. In der Tat war eigentlich alles für uns gelaufen, die Mannschaft hatte viel Selbstvertrauen getankt. Dennoch sind uns von Beginn an zu viele Fehler unterlaufen. Wir haben zu selten versucht, Fußball zu spielen, immer wieder die falschen Mittel gewählt und uns viele unnötige Fouls geleistet. Der WSV hat es sicher gut gemacht, aber wir waren auch in den zahlreichen Zweikämpfen nicht aggressiv und griffig genug. Da darf man sich in der Summe nicht wundern, wenn man am Ende mit leeren Händen dasteht.

Obwohl die Wuppertaler schon während der ersten Halbzeit eine Reihe von Torchancen hatten, kam RWE noch mit einer glücklichen 1:0-Führung in die Halbzeitpause. Du hast dann reagiert und mit David Jansen einen zweiten Stürmer gebracht. Warum?

SD: Wir hatten während des gesamten Spiels schon Probleme bei Standards, waren den Wuppertalern gerade in der Luft häufig unterlegen. Deshalb wollte ich mit David Jansen einen zusätzlichen kopfballstarken Spieler bringen. Außerdem sollte er gemeinsam mit Marcel Platzek für mehr Wucht im Angriff sorgen, um den WSV zu beschäftigen und unter Druck setzen. Die Idee war gut, hat in der Umsetzung aber nicht so funktioniert wie erhofft. Das lag allerdings nicht in erster Linie an David, sondern an der gesamten Mannschaft, die bis zum Schluss nicht mehr die Kurve bekommen hat.

Nach der Partie hattest Du von „alten Mustern“ gesprochen, in die das Team wieder verfallen war. Was meintest Du damit?

SD: Obwohl wir schon gezeigt haben, dass wir es wesentlich besser können, haben wir uns in zahlreichen Szenen einfach schlecht angestellt. Als ich zum Beispiel Philipp Zeiger in der Schlussphase in die Sturmspitze beordert habe, um den Rückstand möglichst noch umzubiegen, ist es uns überhaupt nicht gelungen, ihn mit hohen Bällen ins Spiel zu bringen. Im Gegenteil! Plötzlich wurde klein-klein gespielt. Das war aus meiner Sicht eine Kopfsache. Wir waren gedanklich nicht auf der Höhe. Vielleicht haben sich die Jungs auch selbst im Vorfeld zu viel Druck gemacht. Wir hatten uns sehr viel vorgenommen, konnten es aber nicht umsetzen.

Sind in solchen Situationen nicht besonders die Führungsspieler gefordert?

SD: Grundsätzlich ist jeder gefordert. Es ist aber zweifellos richtig, dass wir eine ganze Reihe von Spielern im Kader haben, die schon etwas älter und erfahrener sind und die auch schon seit einiger Zeit für Rot-Weiss Essen spielen und daher mit den Rahmenbedingungen bestens vertraut sind. Wenn diese Spieler schon ihre Probleme haben, dann kann ich den jungen Burschen ganz sicher keinen Vorwurf machen.

Was den Druck angeht, sollte die Aufgabe gegen Borussia Mönchengladbach dankbarer sein, oder?

SD: Das stimmt. Es ist in der Tat ein ‚einfaches‘ Spiel für uns. Wir haben nichts zu verlieren, können nur gewinnen. Denn machen wir uns nichts vor: Wenn alles normal läuft, werden die Gladbacher wegen ihrer deutlich höheren Qualität das Spiel für sich entscheiden. Wir wollen aber dafür sorgen, dass es möglichst nicht normal läuft. Für uns alle ist das Spiel ein echtes Highlight, bei dem wir uns und den Verein bestmöglich präsentieren wollen. In einem Pflichtspiel auf einen so starken Bundesligisten zu treffen, ist außergewöhnlich.

Du warst selbst sieben Jahre lang als U 19- und U 23-Trainer in Gladbach tätig. Wie außergewöhnlich ist das Duell für Dich persönlich?

SD: Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, es wäre kein besonderes Los für mich. Ich habe in Gladbach sehr lange gearbeitet und mich dort immer wohl gefühlt. Deshalb gibt es auch nach wie vor Kontakte zum Verein.

Welche Deiner ehemaligen Spieler ist jetzt im Profiaufgebot der Borussia dabei?

SD: Tony Jantschke und Patrick Herrmann habe ich beide in der U 19 trainiert. Später haben sie bei mir auch in der U 23 gespielt. Da ist es für mich selbstverständlich eine große Freude, sie in der Bundesliga spielen zu sehen. Beide sind außerdem auch charakterlich Super-Jungs. Darauf legt der Verein aber ohnehin immer großen Wert.

Sportlich hat die Borussia in der letzten Saison den Europapokal verpasst, kam aber in den Pokalwettbewerben sehr weit. Was traust Du dem Team Deines Kollegen Dieter Hecking zu?

SD: In der Offensive stehen Dieter Hecking etwa Spieler wie Thorgan Hazard, Raffael, Ibrahima Touré oder Lars Stindl zur Verfügung. Das ist schon mehr als gehobene Bundesligaklasse. Die Mannschaft hat auf jeden Fall das Zeug dazu, sich für einen internationalen Wettbewerb zu qualifizieren.

Gladbachs Sportdirektor Max Eberl war zu Beginn Deiner Amtszeit noch Nachwuchsleiter bei der Borussia!

SD: Das stimmt. Er hat mich damals als U 19-Trainer eingestellt. Die Entwicklung, die der Verein seitdem genommen hat, ist sensationell. Daran hat Max Eberl ganz sicher großen Anteil.

Wie sieht es personell bei RWE aus. Hast Du in dieser Woche den Konkurrenzkampf noch einmal besonders angefeuert?

SD: Ich habe schon zuvor gesagt, dass wir jetzt eine gute Dichte im Kader und damit auch einige Alternativen haben. Dass gerade gegen Gladbach jeder gerne spielen will, versteht sich von selbst. Die eine oder andere Änderung ist sicher möglich. Ich werde aber nach nur zwei Spieltagen auch nicht plötzlich alles über den Haufen werfen.