23. Februar 2017

„Jeder Einzelne spielt eine wichtige Rolle“

RWE-Trainer Sven Demandt vor erstem Heimspiel des Jahres gegen Ex-Klub Fortuna.

Das ist kurios! Nur etwas mehr als zwei Monate nach dem Hinspiel bei der U23 von Fortuna Düsseldorf (1:2), das kurz vor Weihnachten ausgetragen wurde, trifft Rot-Weiss Essen heute schon wieder auf die Landeshauptstädter. Im ersten Heimspiel des neuen Jahres ist die Fortuna an der Hafenstraße zu Gast. Zwischen den beiden Duellen mit den Düsseldorfern lagen für RWE nur die Wintervorbereitung und der Restrundenstart beim Titelaspiranten FC Viktoria Köln (1:2). „Das ist schon eine ungewöhnliche Konstellation. Wir müssen es aber nehmen, wie es kommt“, sagt RWE-Cheftrainer Sven Demandt nüchtern. Vor demWiedersehen mit seinem früheren Verein äußert sich der 52-Jährige im ausführlichen Interview.

Hallo Sven! Im ersten Heimspiel des neuen Jahres geht es heute an der Hafenstraße gegen die U23 Deines früheren Vereins Fortuna Düsseldorf. Ist es für Dich immer noch eine besondere Partie?

Sven Demandt: Jein. Auf der einen Seite hat mich der Klub schon geprägt. Ich bin als 18-Jähriger dorthin gekommen, wurde Bundesliga-Profi und hatte in den insgesamt acht Jahren mit dem Titel des Zweitliga-Torschützenkönigs und dem Aufstieg in die Bundesliga auch meine größten sportlichen Erfolge bei der Fortuna. Allerdings liegt diese Zeit inzwischen schon über ein Vierteljahrhundert zurück. Ich war später unter anderem auch acht Jahre in Mainz und sieben Jahre in Mönchengladbach, habe schon oft gegen Düsseldorf gespielt. Von daher relativiert sich das nach und nach. Die Erinnerungen allerdings bleiben schon haften.

Die Fortuna kämpft um den Klassenverbleib, holte zuletzt allerdings ein durchaus beachtliches 0:0 bei Spitzenreiter Gladbach. Überrascht?

SD: Schon ein wenig, schließlich hatte die Borussia zuletzt nur wenige Punkte liegen gelassen. Allerdings ist auch klar, dass im Düsseldorfer Team einiges an Qualität steckt, zumal in der Regel immer einige Jungprofis zum Einsatz kommen. Marlon Ritter, der früher ja auch im Nachwuchsbereich für RWE und unter meiner Regie in Mönchengladbach gespielt hatte, war ja nicht umsonst noch in der letzten Saison Regionalliga-Torschützenkönig. Er ist ein Spieler, der den Unterschied ausmachen kann und den wir sehr genau im Auge behalten sollten.

Das Hinspiel in Düsseldorf ging erst kurz vor Weihnachten 1:2 verloren. Was nimmst Du Dir mit der Mannschaft für das erneute Aufeinandertreffen vor?

SD: Da müssen wir nicht drum herum reden: Klares Ziel ist ein Heimsieg.

Schon in der Partie beim Titelaspiranten FC Viktoria Köln war RWE nah dran, etwas mitzunehmen. Welche Schlüsse hast Du aus dem Spiel gezogen?

SD: Die Leistung hat auf jeden Fall über weite Strecken gestimmt, zumindest einen Punkt hätten wir verdient gehabt. Darauf lässt sich aufbauen. Vor allem in der ersten Halbzeit haben wir gegen die stärkste Offensive der Liga sehr wenig zugelassen und hatten durch Marcel Platzek selbst die beste Chance zur Führung. Da hätten wir uns belohnen können. Nach der Pause lief es nicht mehr optimal, dennoch hat die Mannschaft nach dem Rückstand eine gute Reaktion gezeigt und direkt den Ausgleich erzielt. Dass wir dann nach einem aus meiner Sicht unnötigen Eckball den abgefälschten Kullerball von Mike Wunderlich kassiert haben, war schon extrem ärgerlich.

Patrick Huckle kam etwas überraschend auf der ungewohnten rechten Abwehrseite zum Einsatz. Wie kam es dazu?

SD: Zum einen hatte Timo Becker wegen einer Adduktorenverletzung vor der Partie nur einmal mit der Mannschaft trainiert. Zum anderen hatte Patrick eine sehr gute Vorbereitung gespielt und bringt durch seine Zweikampfstärke und seinen Einsatzwillen genau die Mentalität mit, die in einem solchen Spiel notwendig ist. Ich fand, er hat es gut gemacht.

Warum stand Robin Heller und nicht Niclas Heimann zwischen den Pfosten?

SD: Auch hier zwei Gründe: Niclas hatte nach seinem Außenbandriss erst seit zwei Wochen mit der Mannschaft trainiert, konnte deshalb noch gar nicht in optimaler Verfassung sein. Robin hatte ihn vor der Winterpause aber auch gut vertreten und mir deshalb keinen Grund zu einem Wechsel gegeben. Er hat, wie ich finde, auch in Köln ein starkes Spiel abgeliefert.

Auf den ersten Blick steht Rot-Weiss trotz der Auftaktniederlage in Köln als Tabellenfünfter nach wie vor recht gut da. Allerdings beträgt der Rückstand auf Spitzenreiter Borussia Mönchengladbach U 23 bereits 13 Punkte. Mit welchen Zielen gehst Du mit der Mannschaft in den Saisonspurt?

SD: Wir haben uns vorgenommen, den Abstand nach oben zu verkürzen und die Saison mindestens auf Platz vier zu beenden. Man darf nicht vergessen, dass wir in der vergangenen Saison lange gegen den Abstieg gespielt haben. Von daher sehe ich unser Abschneiden insgesamt als in Ordnung an. Ich gebe aber zu, dass wir uns einen kleineren Rückstand zur Spitze gewünscht hätten.

Den Rückstand verkürzen bedeutet aber, dass Ihre Mannschaft mehr Punkte sammeln müsste als das Spitzentrio!

SD: So könnte es funktionieren (lacht). Wir wollen uns in eine Position bringen, aus der wir in der kommenden Saison angreifen können. Bei einem extrem großen Rückstand würde es schwierig, den Anspruch zu formulieren, Meister werden zu wollen.

RWE hatte in der Winterpause sechs Spieler abgegeben, aber keinen dazugeholt. Warum?

SD: Durch den Rückzug des langjährigen Sponsors RWE/Innogy hatte sich im Etat bekanntlich eine nicht unerhebliche Lücke aufgetan. Wir wurden als Sportliche Leitung gefragt, ob wir auch etwas tun können, um das aufzufangen. Das heißt nicht, dass wir unter allen Umständen jemanden weggeschickt hätten. Es hat sich jedoch ergeben, dass einige Spieler auf uns zugekommen sind, die mit ihren Spielanteilen unzufrieden waren. Wir standen vor der Frage: Tut uns der jeweilige Abgang sportlich weh? Bei den sechs Abgängen lautete die Antwort, dass wir ihren Weggang verkraften können.

Ist es nicht ein Risiko, die Restrunde mit nur 18 Feldspielern zu starten?

SD: Ich bin ehrlich: Einen oder zwei neue Spieler hätte ich schon gerne noch gehabt. Bei uns darf in der Tat nicht viel passieren. Auf der anderen Seite hat ein kleiner Kader auch Vorteile. In einer kleinen Gruppe lässt sich effektiver arbeiten. Jeder Einzelne spielt eine wichtige Rolle. Das kann man bei einem 26-Mann-Kader sicher nicht behaupten.

Wie sieht es denn vor der Heimpremiere 2017 gegen die zweite Mannschaft von Fortuna Düsseldorf personell aus?

SD: Unser Defensivallrounder Jan-Steffen Meier fällt mit einem Muskelfaserriss noch etwa zwei Wochen aus. Jeffrey Obst befindet sich nach einem Faserriss immerhin schon wieder im Aufbautraining, soll in der kommenden Woche voll einsteigen. Das Duell mit der Fortuna kommt für ihn allerdings noch zu früh.

Innerhalb der nächsten beiden Jahre will RWE wieder drittklassig sein. Dafür wurde bekanntlich vor einigen Monaten die Aktion „Zusammen Hoch3“ ins Leben gerufen. Ist das Ziel nach wie vor realistisch?

SD: Wir arbeiten daran. Ich sehe uns jedenfalls auf einem guten Weg. Es gibt absolut keinen Grund, irgendetwas für beendet zu erklären. „Hoch3“ ist als Prozess ausgelegt und so sollte es auch weiterhin gesehen werden. Es gibt einige Dinge, die wir noch besser machen müssen. Zum Beispiel haben wir in fünf von elf Heimspielen kein Tor erzielt. Jeder RWE-Fan wünscht sich, dass seine Mannschaft dominant auftritt. Auch in diesem Bereich müssen wir an uns arbeiten.

Essen ist die neuntgrößte Stadt Deutschlands, das Stadion mindestens zweitligatauglich. Warum ist RWE nicht schon längst einer der besten 56 Vereine im deutschen Profifußball?

SD: Diese Frage ist für mich nur schwer zu beantworten. Fakt ist, dass der Verein seit einigen Jahren seriös arbeitet und gesund wirtschaftet. Auch die Mannschaft hinter der Mannschaft ist gut aufgestellt. Jetzt geht es darum, sportlich zuzulegen, um den Sprung in die 3. Liga zu schaffen. Eine Voraussetzung ist Geduld. Auf der anderen Seite spielt das Finanzielle keine komplett untergeordnete Rolle. Der höchste Etat in der Liga garantiert zwar nicht den Aufstieg, er erhöht aber zumindest die Wahrscheinlichkeit.

Ist die große Tradition des Klubs mit Deutscher Meisterschaft und DFB-Pokalsieg manchmal ein Hemmschuh?

SD: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Von unseren Zuschauerzahlen können manche Drittligisten nur träumen. Über den Druck, vor einer solchen Kulisse zu spielen, dürfen wir uns nicht beschweren und tun das auch nicht. Allerdings können wir uns von Tradition allein nichts kaufen. Viele Anhänger gehen vor unseren Partien davon aus, dass wir immer der Favorit sind. Das kann ich ihnen nicht verübeln. Trotzdem ist die Sache nicht so einfach. Die Konkurrenz kann auch Fußball spielen und verfügt teilweise über ähnliche oder sogar bessere Möglichkeiten als RWE.

Als Profi warst Du ein bei Abwehrspielern gefürchteter Torjäger. Dein Spitzname war „Kühlschrank“. Wann bist Du einmal nicht cool?

SD: Meistens habe ich mich unter Kontrolle. Nur sehr selten gibt es während der Spiele Situationen, in denen man mich auf 180 bekommt. Ich fahre jedoch auch sehr schnell wieder herunter.