31. März 2017

Nächster Gegner: Alemannia-Fans zwischen Hoffen und Bangen

Nach erneutem Insolvenzantrag wird Spielbetrieb fortgesetzt – Verband zieht neun Punkte ab

Keine einfache Zeit machen gerade die treuen Fans unseres heutigen Gastes Alemannia Aachen durch. Rein sportlich mischt der ehemalige Bundesligist zwar in der oberen Tabellenhälfte der Regionalliga West mit, gewann zuletzt sogar 2:1 bei Spitzenreiter FC Viktoria Köln. Aber finanziell steht der Verein vor einer ungewissen Zukunft, musste vor wenigen Tagen zum zweiten Mal „wegen drohender Zahlungsunfähigkeit“ einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Aachen stellen. 

Der eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter Dr. Christoph Niering, ein Kölner Jurist, erklärte allerdings bereits, dass der Spielbetrieb in der Regionalliga West weitergeht und dass die Gehälter von Spielern und Mitarbeitern zumindest bis zum Saisonende gesichert sind. Im Laufe des Verfahrens will Niering, der früher auch schon den SC Fortuna Köln erfolgreich saniert hatte, möglichst ein Konzept „für die nächsten drei bis fünf Jahre“ erarbeiten, um die Zukunft der Alemannia zu sichern. Trotz der hohen Spieltagkosten soll der Klub seine Heimspiele auch weiterhin im großen Tivoli-Stadion austragen, das mehr als 30.000 Zuschauern Platz bietet. 

Kurios: Die mögliche Rettung des Traditionsvereins könnte ausgerechnet im ersten Insolvenzverfahren zu suchen sein. Denn: Während der Klub aktuell mit einer Deckungslücke von rund 500.000 Euro zu kämpfen hat, ruht ein noch höherer sechsstelliger Betrag aus der ersten Insolvenz auf einem Notar-Anderkonto. 

Hintergrund: Unter anderem zur Abwicklung des ersten Insolvenzverfahrens war die „Alemannia Aachen Zweckgesellschaft“ gegründet worden, die die angemeldeten Forderungen der Gläubiger in Höhe der ermittelten Sanierungsquote erfüllen sollte. Vor dem Abschluss des Insolvenzverfahrens wurden dann auch insgesamt rund 550.000 Euro an die Gläubiger ausgeschüttet, die zuvor dem Sanierungsplan des damaligen Insolvenzverwalters Prof. Dr. Rolf-Dieter Mönning und seinem Mitstreiter Michael Mönig zugestimmt hatten. Damit war die Alemannia schuldenfrei. 

Weitere Gelder in Höhe von deutlich mehr als 500.000 Euro verblieben jedoch auf dem Konto der Zweckgesellschaft, um mögliche weitere Forderungen befriedigen oder eventuell später auch noch eine zweite Quote an die Gläubiger ausschütten zu können. Dazu kam es aber bislang nicht, so dass die Summe nach wie vor zur Verfügung stünde, sofern die Gläubiger aus dem ersten Verfahren ihre Zustimmung geben. Ob jedoch Insolvenzverwalter Niering zumindest die Möglichkeit prüft, zur erneuten Sanierung der Alemannia eventuell auf die Gelder der Zweckgesellschaft zurückzugreifen, ist allerdings noch unklar. 

Klar ist dagegen: Zu Wochenbeginn wurden der Alemannia vom Fußballausschuss des Westdeutschen Fußballverbandes (WDFV) neun Punkte abgezogen. Basis des Urteils bildet Paragraf 6 der DFB-Spielordnung. Dieser schreibt im Falle eines Insolvenzantrags den Abzug von neun Punkten vor. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann von dieser Strafe abgesehen werden. Einen solchen Ausnahmefall sah der WDFV-Fußballausschuss bei Aachen als nicht gegeben an. Weitere spieltechnische Konsequenzen über den Punktabzug hinaus sind laut Statut nicht vorgesehen. Die Entscheidung, die der Alemannia Aachen GmbH inzwischen zugestellt wurde, ist noch nicht rechtskräftig. Der Verein hat eine Einspruchsfrist von zehn Tagen. Bleibt es bei dem Urteil, dann fällt die Alemannia (bisher 42 Punkte) vom fünften auf den elften Tabellenplatz (mit dann 33 Zählern) zurück. Der Vorsprung auf die Abstiegszone der Liga würde dann noch neun Punkte betragen. 

Da die finanziellen Probleme des Vereins schon im Vorfeld des Insolvenzantrags bekannt waren und keine Planungssicherheit gegeben war, hatte Alemannia-Trainer Fuat Kilic schon vor einigen Wochen seinen Abschied zum Saisonende angekündigt. Seit Anfang 2016 ist Kilic in Aachen in doppelter Funktion tätig. Der 43-Jährige fungiert sowohl als Trainer als auch als Sportlicher Leiter. Damit ist er auch für die Personalplanung zuständig. Doch obwohl fast alle Spielerverträge auslaufen, konnte Kilic wegen der ungeklärten finanziellen Situation keine Vertragsgespräche führen. Ob er sich vom Insolvenzverwalter gegebenenfalls noch einmal um Umdenken bewegen lassen könnte, ließ Kilic offen. 

Die Fans strömen trotz aller finanzieller Unsicherheiten nach wie vor ins Stadion. Hinter Rot-Weiss Essen (7.459 Besucher im Schnitt) belegt Aachen mit 6.992 Fans pro Heimspiel den zweiten Rang in der Zuschauerstatistik. Es ist auch der zweithöchste Wert sämtlicher 91 Viertligisten in Deutschland. Selbst in der 3. Liga würde es noch zu Platz sechs reichen. Auch nach der Bekanntgabe der erneuten wirtschaftlichen Probleme setzten die Anhänger ein Zeichen: Innerhalb weniger Tage meldeten sich mehr als 100 neue Mitglieder beim Traditionsverein an. 

In der Hinrunde hatte RWE beim 0:1 vor 8.800 Zuschauern am Tivoli das Nachsehen. Dominik Ernst erzielte kurz vor der Halbzeit den einzigen Treffer des Tages. Insgesamt wurde das Traditionsduell bereits 51-mal ausgetragen, darunter zwei Partien in der Bundesliga in der Saison 1969/1970 (2:0/0:0) und das DFB-Pokal-Finale 1953 (2:1 für RWE in Düsseldorf durch Tore von Helmut „Boss“ Rahn und Franz „Penny“ Islacker). 

Zum Wiedersehen kommt es für die RWE-Fans mit Torhüter Pascal Nagel, der von Februar 2016 bis zum Sommer in Essen unter Vertrag stand. Zum Einsatz kam der 25-Jährige nicht. Ganz anders in dieser Spielzeit: Für die Alemannia bestritt Nagel die ersten 16 Partien, bevor ihm eine Blinddarmoperation und eine Wadenverletzung in die Quere kamen.