12. Oktober 2017

„Viel mutiger sein – mit und ohne Ball“

Jürgen Lucas über das Heimspiel gegen Viktoria Köln.
Jürgen Lucas über das Heimspiel gegen Viktoria Köln.

RWE-Direktor Sport Senioren Jürgen Lucas vor dem morgigen Heimspiel

Jürgen Lucas im Dauereinsatz: Rot-Weiss Essens Direktor Sport Senioren hatte in den letzten Tagen mehrere Baustellen zu bearbeiten. Gemeinsam mit Co-Trainer Carsten Wolters und Torwarttrainer Manuel Lenz bereitete er die Mannschaft zu Wochenbeginn auf das morgige Heimspiel gegen den aktuellen Meister FC Viktoria Köln vor. Außerdem kümmerte er sich um die Suche nach einem neuen Cheftrainer und seinem Hauptberuf musste er schließlich auch noch nachgehen. Im ausführlichen Interview mit der „kurzen fuffzehn“ nimmt Jürgen Lucas zur aktuellen Situation Stellung.

Hallo Jürgen! Wie stressig waren die letzten Tage?

Eine so intensive Zeit habe ich noch nie erlebt. Arbeit, Training und Trainersuche waren nicht einfach unter einen Hut zu bekommen. Bei uns hatten sich sehr viele Trainer beworben. Schon die hohe Zahl der Bewerbungen hat uns noch einmal vor Augen geführt, was für ein interessanter Verein RWE ist.

Was erwartest Du nun vom neuen Trainer?

Er muss die Mannschaft zunächst kurzfristig erreichen, ihr den Druck nehmen und neues Selbstvertrauen einflößen. Danach geht es darum, das Team zu alter Stärke zu führen, weiterzuentwickeln und langfristig mit ihm Erfolg zu haben. Dabei wollen wir attraktiven Fußball spielen.

Beim letzten Spiel in Rödinghausen (2:3) hat die Mannschaft zwei verschiedene Gesichter gezeigt. Warum lief es in der ersten Halbzeit nicht rund?

Die aus den letzten Wochen resultierende Verunsicherung war noch spürbar. Die ersten fünf Minuten in Rödinghausen fand ich gar nicht einmal so schlecht, dann führte ein individueller Fehler zum frühen Rückstand. Das passte ins Bild. Danach haben wir das zumindest defensiv recht gut gemacht. Mit dem Ball am Fuß waren wir aber viel zu mutlos. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass einige vor dem Ball geradezu weglaufen sind, um ja keinen Fehler zu machen. So kann man nicht Fußball spielen und so hatten wir das im Training auch nicht einstudiert.

Was habt Ihr dann im zweiten Durchgang geändert?

Wir hatten uns viel vorgenommen und auch ein wenig umgestellt. Dann fällt gefühlte 40 Sekunden nach Wiederanpfiff das 0:2. Das eröffnete dem Gegner noch mehr Räume. Wir sind dann etwas glücklich zum 1:2 gekommen und hatten ab da eine gute halbe Stunde mit dem verdienten Ausgleichstreffer. Die Mannschaft hatte das Gefühl, als könne sie das Spiel komplett drehen. Das war durchaus möglich. Nur hätten dafür Gegenangriffe wie vor dem 2:3 verhindert werden müssen. Auch das war möglich.

Warum schafft es die Mannschaft bislang meistens nicht, zwei gute Halbzeiten abzuliefern?

Die Frage ist berechtigt. Offensichtlich nimmt die Mannschaft erst nach einem Rückstand ihren ganzen Mut zusammen. Das war beispielsweise auch in Wattenscheid nach dem 0:1 und dem Platzverweis gegen uns so. Zu dem Zeitpunkt war im Prinzip schon alles egal, unsere Mannschaft hatte nichts zu verlieren. Wir müssen dahinkommen, dass wir unser Leistungsvermögen nicht erst dann abrufen, wenn es schon fast zu spät ist.

In Rödinghausen habt Ihr in der Startformation sehr stark auf die erfahrenen Spieler gesetzt. Warum?

Das haben wir ganz bewusst so entschieden. Nicht, um die jungen Spieler zu schützen. Vielmehr wollten wir von jedem Einzelnen Verantwortung einfordern. Umso mehr hat es mich geärgert, dass sich einige fast schon vor dem Ball versteckt haben.

Der Frust bei vielen Anhängern sitzt tief. Hast Du die „Goldene Ananas“ in Rödinghausen wahrgenommen?

Wenn ich sehe, dass uns in Rödinghausen trotz des schlechten Wetters und der weiten Anreise einige hundert Fans unterstützen wollten, finde ich das beachtlich. Das zeigt die Treue unserer Anhänger. Ich habe viel Verständnis für den Frust wegen der fehlenden Ergebnisse, der Leistungen und der Tabellensituation. Wir stehen nun einmal nicht ansatzweise da, wo wir stehen möchten. Auch die Mannschaft – das möchte ich noch einmal betonen – nimmt sich die Kritik zu Herzen. Es ist ihr nicht egal. Viel lieber würden wir mit unseren Fans Siege feiern. Daran arbeiten wir.

Wie sehr bereitet Dir die Tabellensituation Sorgen?

Wir verschließen nicht die Augen davor. Ich bin zwar überzeugt, dass wir uns aus der Situation, die wir uns selbst eingebrockt haben, auch befreien werden. Trotzdem blicken wir seriös und verantwortungsvoll auf die Tabelle.

Ist das morgige Spiel gegen einen Meisterschaftsanwärter wie Viktoria Köln genau die richtige Gelegenheit, den Bock umzustoßen?

Das weiß ich gar nicht. Von uns wird – gerade bei Heimspielen – immer etwas erwartet. Selbst wenn der Gegner Viktoria Köln heißt.

Wie schätzt Du die Viktoria ein?

Die Kölner können viel individuelle Qualität auf den Platz schicken. Ich denke da vor allem an Mike Wunderlich, dem vielleicht besten Spieler der Regionalliga West. Hinzu kommen zum Beispiel Sven Kreyer, Timm Golley und Kevin Holzweiler. Offensiv kann die Viktoria damit ein sehr hohes Tempo anschlagen. Defensiv ist die Mannschaft aber nicht unverwundbar.

Was willst Du morgen von unserer Mannschaft sehen?

Eine gute Staffelung und die absolute Bereitschaft, in die Zweikämpfe zu gehen. Vor allem aber müssen wir mit und ohne Ball viel mutiger sein. Gelingt uns das, haben wir eine gute Mannschaft.

Benjamin Baier fehlt gelbgesperrt. Wer bekommt stattdessen die Kapitänsbinde?

Das wird Philipp Zeiger sein. Um Benni auf seiner Position zu ersetzen, stehen uns mehrere Möglichkeiten offen.

Wie sieht es sonst personell aus?

Kamil Bednarski hat seine Virus-Infektion auskuriert und ist wieder voll dabei. David Jansen musste dagegen unter der Woche wegen muskulärer Probleme kürzertreten.