26. Juni 2023

RWE-JHV vorzeitig beendet

RWE-JHV vorzeitig beendet – Rot-Weiss Essen
Mehr als 500 Essen-Fans fanden Sonntag den Weg in die Messe. (Fotos: Endberg)

Rot-Weiss Essen hat die Jahreshauptversammlung (JHV) 2023 in der Messe Essen am Sonntagnachmittag nach rund fünf Stunden Veranstaltungsdauer vorzeitig beendet. Nach Jahresberichten des Vorstandsvorsitzenden Marcus Uhlig, des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. André Helf sowie des FFA-Vorstands und des Ehrenrats entstand eine lebhafte und kontroverse Diskussion. Weil es anschließend Einwände der Mitglieder gegen das durchgeführte Stimmverfahren gab, verschob die Versammlungsleitung in Person von Walther Müggenburg Vorstands- und Aufsichtsrats-Entlastung sowie Satzungsänderungsanträge auf eine noch zu terminierende außerordentliche JHV.

Rund 530 Mitglieder, darunter 498 Stimmberechtigte, fanden den Weg in den „Saal Europa“ der Messe Essen. Nach Gedenken an die Verstorbenen und der Ehrung von 78 Rot-Weissen mit runden Jubiläen, darunter einer für 70 Jahre Treue zu RWE, entschied die Mitgliederversammlung auf Vorschlag des Ehrenrats ohne Gegenstimme, Dieter Bast zum Ehrenmitglied zu machen. Der heute 71-Jährige kickte in der Bundesliga für Rot-Weiss, war Vorstandsmitglied, verantwortete den Sportbereich und engagiert sich noch heute in der Traditionsmannschaft. Müggenburg dazu: „Dieter Bast verkörpert die Liedzeile ‚Unser ganzes Leben stehen wir für Dich ein!‘“

FFA: „An die 3. Liga gewöhnen“

Manfred Villwock berichtete im Anschluss aus Sicht der Fan- und Förderabteilung von Rot-Weiss Essen (FFA). „Auch wir mussten, wie der gesamte Verein, 3. Liga lernen“, so das FFA-Vorstandsmitglied. Zufrieden bilanzierte der Ehrenamtler von der Rückkehr nach Corona-Pause von Angrillen und Winter- sowie Sommerturnier.

Zudem stellte Villwock die Organisation eines Sonderzuges zu einem RWE-Auswärtsspiel und die Optimierung der angebotenen Busreisen in Aussicht.

Flüthmann: „Spieler verpflichten, die Eigenschaften haben, die fehlten“

Zu Wort kam auch Christian Flüthmann. Der 41-jährige Fußball-Lehrer ist seit April Sportdirektor und so neben der 1. Mannschaft für den Breiten- und NLZ-Sport zuständig: Man wolle den Aufstieg der „Zwoten“ nach dem verpassten Klassensprung forcieren, um das Team zu einer echten Reserve für die Profis zu machen. Team III lobte Flüthmann für die hohe Trainings- und Spielbeteiligung, über das NLZ wertete Essens Sportdirektor: „Wir sind im Nachwuchs weiter auf einem guten Weg und haben, mit Ausnahme des Abstiegs der U19, sehr gute Ergebnisse erzielt!“ Doch auch für die A-Junioren fand Flüthmann, der bis April zwei Jahre für die RWE-Talentschmiede zuständig war, optimistische Worte: „Es wird der Mannschaft guttun, in der Niederrheinliga angreifen zu können und auf dem Platz nicht immer im Defensivmodus zu sein.“

RWE-JHV vorzeitig beendet – Rot-Weiss Essen
Christian Flüthmann ist seit April als rot-weisser Sportdirektor tätig.

Besonders interessiert zeigten sich die Veranstaltungsbesucher an der sportlichen Analyse zur Profimannschaft der vergangenen Spielzeit. Auch wenn Flüthmann in aller Kürze der Zeit nicht Einblick in jeden Bereich geben konnte, stellte er fest: „Wir haben es geschafft, die Liga zu halten – das war kein einfaches Stück Arbeit!“ Die Saison teilte Flüthmann in drei Blöcke ein: Schlechter Start, neun ungeschlagene Partien zum Jahreswechsel und ein nicht optimales 2023: „Wir haben es nicht geschafft, im neuen Jahr eine Serie zu starten.“ Und so kündigte Flüthmann Kaderverstärkungen an. „Wir sind dort auf dem richtigen Weg Spieler zu verpflichten, die Eigenschaften haben, die letztes Jahr fehlten – Physis und Robustheit in etwa.“

Uhlig: 3,6 Millionen Jahresfehlbetrag – zum 30. Juni 2023 schwarze Null geplant

Vorstandsvorsitzender Marcus Uhlig verkündete zu Beginn seines Berichts das Erreichen der 10.000-Mitgliedermarke – ein historischer Moment der RWE-Familie. „Wir haben Stand jetzt sogar schon knapp 10.200 Bekenner“, erklärte Uhlig.

Weitaus nicht so erfreulich bewertete der 52-Jährige einen Bilanz-Jahresfehlbetrag im Jahr 2022 von 3,6 Millionen Euro – 3,2 Millionen Euro mehr Verlust als ursprünglich geplant. „Das fällt mir wirklich schwer, das zu präsentieren“, ließ Uhlig wissen. „Das ist für mich und uns wie ein Hammerschlag.“ Der Vorstandsvorsitzende sprach selbstkritisch über Fehleinschätzungen und erklärte, dass eine einkalkulierte Spendenauszahlung für den Nachwuchs ausblieb, der ehemalige Hauptsponsor Insolvenz anmelden musste sowie Personal- und Sachkosten um 800.000 beziehungsweise 1,2 Millionen Euro stiegen.

RWE-JHV vorzeitig beendet – Rot-Weiss Essen
Überbrachte mit dem Jahresfehlbetrag keine guten Nachricht: Vorstandsvorsitzender Marcus Uhlig.

„Wir haben die Situation lange falsch bewertet. Dafür übernehme ich als Vorstandsvorsitzender die Verantwortung“, sagte Uhlig, der unlängst Maßnahmen zum Herbeiführen einer positiven Geschäftsbilanz für das laufende Jahr getroffen hatte. Momentan sei RWE damit voll im Soll, um wieder ein positives Geschäftsergebnis und damit eine schwarze Null zu erreichen.

„Sascha Peljhan hat angefangen, sich systematisch und in einer enormen Tiefe mit diesen Zahlen zu beschäftigen.“ Der im Mai einbestellte ehrenamtliche Finanzvorstand strukturiert derzeit die Buchhaltung neu und modernisiert sowie digitalisiert das Controlling. „Wir haben dazu Planungs-Prozesse deutlich optimiert und präzisiert sowie ein internes Controlling aufgesetzt.“ Hieran arbeite, so Uhlig, neben Peljhan auch Aufsichtsratsmitglied und Wirtschaftsprüfungs-Experte Hans-Henning Schäfer. Der Vorstandsvorsitzende stellte am Sonntag allerdings trotz Nachlizenzierung klar: „Es war zu keinem Zeitpunkt so, dass wir uns Sorgen um den Lizenzerhalt machen mussten oder gemacht haben!“ Das Budget für die 1. Mannschaft bleibe zudem gleich.

Mit Christian Flüthmann (Sportdirektor) und Marcus Steegmann (Direktor Profifußball) habe man sich an der Spitze des sportlichen Bereichs noch breiter aufgestellt. „Bei einem Verein dieser Größe kann man alle Verantwortung nicht auf eine Person lenken.“ Zielsetzung sei, so Uhlig, sich 2023/24 tabellarisch zu verbessern und den Sport sukzessive weiter zu entwickeln.

Brennend dürfte die Mitgliederversammlung die Hauptsponsorensuche interessiert haben. Hierzu erklärte Uhlig, dass vor wenigen Woche die Zusammenarbeit mit einem möglichen Partner nach aussichtsreichen Gesprächen nicht zustande gekommen sei, jetzt allerdings eine andere Lösung in Aussicht stünde und sich die Parteien mündlich geeinigt hätten: „Idealerweise präsentieren wir schon Mitte Juli zusammen mit dem Trikot einen neuen Hauptsponsor!“ Die DEUTSCHE SAATGUT, Trikotpartner in der Rückrunde, kooperiere noch dazu voraussichtlich als Premium-, aber nicht mehr Trikot-Partner mit Rot-Weiss Essen weiter.

Uhlig thematisierte am Veranstaltungstag auch den Stadionausbau, für den der Rat der Stadt Essen im August Mittel zur genaueren Architekten- und Kostenplanung freigeben könnte, die Bierpreiserhöung um 50 Cent sowie die Verlängerung mit der Privatbrauerei Stauder bis 2027 und die transparente Kommunikation zu einigen Personalien: „Aus arbeitsrechtlichen Gründen können wir einige Dinge nicht so offen kommunizieren, wie manche es sich vielleicht wünschen.“ Über Ausschreitungen abseits des Platzes sagte der Vorstandsvorsitzende: „Mein Wunsch ist, dass wir wieder mehr über positive Zuschauerthemen wie einen starken Heim- und Auswärtszuschauerschnitt sprechen können. Manche Vorkommnisse haben uns da einen Bärendienst erwiesen.“

Kritisch wurde Uhlig auch, als er die zunehmend verrohende Diskussionskultur bemängelte: „Online und im Stadion wird der Ton immer mehr verschärft. Was ich gegen Trainer, Mitarbeiter und mich selbst lesen musste, war starker Tobak und heftiger, mehr, schneller und ungeduldiger als in den Vorjahren. Wir sind alle nur Menschen!“

Helf: „Erwarten absoluten Willen, rot-weisse Werte zu leben!“

Nach einer viertelstündigen Pause berichtete dann Dr. André Helf von der Arbeit des Aufsichtsrats. „Wir haben vor der Saison als Verein Intensität und Qualität der 3. Liga unterschätzt“, bemängelte der Vorsitzende. Von Spielern, die jetzt an die Hafenstraße kommen, hat Helf eine klare Vorstellung: „Wir erwarten absoluten Willen, die rot-weissen Werte zu leben sowie totale Loyalität dem Verein gegenüber!“

RWE-JHV vorzeitig beendet – Rot-Weiss Essen
Dr. André Helf plant mit dem Aufsichtsrat, den Vorstand personell zu verstärken.

Natürlich habe der erhebliche Jahresfehlbetrag im Vorjahr den Aufsichtsrat auf den Plan gerufen. Über die aktuellen Zahlen sei der Aufsichtsrat nach dieser plötzlichen Entwicklung stets informiert worden, konstatierte Helf. „Natürlich hat mir das auch einige schlaflose Nächte bereitet. Es hat lange braucht, bis wir eine Erklärung in die Tiefe gefunden haben.“

Eine der Lehren neben dem Umbau des Controllings und der Förderung des Berichtswesen an den Aufsichtsrat: Man wolle die Vereinsspitze breiter aufstellen. „Wir planen mit einem vierköpfigen Vorstand, der die Geschicke verantwortet“, erklärte Helf. Sascha Peljhan sei dabei als Ehrenamtler bereits mit den Ressorts Finanzen, EDV und Digitalisierung betraut worden. Zusätzliche Verstärkung käme in einem Vertriebs- und einem Sportvorstand. Marcus Uhlig bleibt dabei Vorsitzender.

Vorzeitiges Veranstaltungsende nach Einwänden gegen Abstimmungsverfahren

Als es im Anschluss an eine lebhafte, rund einstündige Diskussion mit den Haupt-Themen Fehlbetrag und sportliche Planung zur Entlastung des Aufsichtsrats kommen sollte, erhoben einige Vereinsmitglieder Einwände gegen das durchgeführte Stimmverfahren per Handzeichen. Nach Beratung der Versammlungsleitung mit Vorstand, Aufsichtsrat und Justiziar wurde die Mitgliederversammlung vorzeitig beendet, die entsprechenden Entlastungs- und Satzungsänderungs-Wahlen werden zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt.