7. Oktober 2014
„Schauen auf die nächsten Spiele und Herausforderungen“
Für solche Momente und Geschehnisse lieben die Menschen den Fußball. In einer scheinbar wenig aussichtsreichen Situation bewies unser Trainer Marc Fascher sein goldenes Händchen. Die Einwechslung von Tobias Steffen zahlte der Neuzugang von Fortuna Köln bärenstark zurück, und war damit maßgeblich an der Wende im Heimspiel gegen Viktoria Köln beteiligt. Den Moment genießen? Ja! Lange verweilen? Nein! Steffen: „Wir wollen jedes Spiel gewinnen.“
Es ist keine allzu kühne Behauptung, dass viele Anhänger von Rot-Weiss Essen das Spiel vom 23. September 2014 lange nicht vergessen werden. Wenn der Spitzenreiter an die Hafenstraße kommt, ungeschlagen und bis dahin dominant in der Liga, darf man wohl keine Wunder erwarten. Ein klassischer Fall von falsch gedacht. Als Tobias Steffen rund zehn Minuten vor dem Spielende das Feld betrat, rechneten vermutlich nicht mehr viele Zuschauer mit einem Dreier gegen Viktoria Köln. Bekanntermaßen kam alles ganz anders.
Er kam, sah und traf nicht nur
Es hatte den Außenspieler gewurmt, wie er zähneknirschend zugab, nicht von Anfang gespielt zu haben. „Das ist aber keine Kritik. Jeder Fußballer will doch von Beginn an dabei sein.“ Auch unser Trainer Marc Fascher sagte in der Pressekonferenz nach dem Spiel: „Ich könnte mir in den Hintern beißen, dass ich ihn nicht eher gebracht habe, aber es ist ja alles gut gegangen.“
So kann man es zusammenfassen. Als Steffen im Fallen zum Ausgleich traf, brannte – im positiven Sinne – das Stadion Essen. Eine atemberaubende Schlussphase begann, in der beide Mannschaften die Chance auf den Sieg hatten. Das Ende ist bekannt: Ein perfekt zu Ende gespielter Konter über Cebio Soukou und – was für eine Überraschung – Steffen mit Abnehmer Sven Kreyer brachte den umjubelten Sieg. Ein kleines, aber emotionales Fußballmärchen an der Hafenstraße.
Lange gratulieren lassen wollte sich Steffen für sein zweites Tor im Stadion Essen jedoch nicht: „Ich bin froh, dass ich der Mannschaft helfen konnte. Jetzt schauen wir auf die nächsten Spiele und Herausforderungen.“
Ein Ausbildungsplatz als Wechselgrund
Ein Schritt nach dem anderen, und dabei die Zukunft nicht aus den Augen verlieren – vor allem das Leben nach dem Fußball. Über die Stationen Cloppenburg und Osnabrück kam der heute 22-Jährige zu Bayer Leverkusen. Die Begründung ist so simpel wie vorrauschauend: „Ich konnte dort parallel eine Ausbildung machen.“ Und so schloss Steffen eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann ab.
In Leverkusen konnte sich der Offensivmann nicht durchsetzen, wurde an Energie Cottbus verliehen – eine Station, über die er heute nicht mehr gerne spricht. „Erlebnis“ nennt Steffen diesen Punkt in seiner Karriere, die erst bei Fortuna Köln wieder so richtig Fahrt aufzunehmen schien: Aufstieg mit den Kölnern in Liga drei, ein großer Triumph, auch für Steffen.
Aufstieg in Liga drei
Bleiben wollte der zweifache Ligatorschütze bei der Fortuna allerdings nicht: „Ich habe schon Anfang April Gespräche mit Dr. Harttgen und Herrn Fascher geführt. Die Gespräche waren positiv. Bei Fortuna Köln war es so, dass bei einem Nichtaufstieg weniger finanzielle Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten und viele Spieler arbeitslos gewesen wären. Das Risiko wollte ich nicht eingehen.“
Ein nachvollziehbares Argument, wenn man auf die Zahl vertragsloser Spieler und nachrückender Jungprofis schaut. Also RWE statt Karriere? Von wegen, wie Steffen betont: „RWE ist ein geiler Verein mit geilen Fans. Auch sportlich sehe ich das nicht als Abstieg.“
„Viele sagen zu mir, dass ich eine eigenartige Schusstechnik habe.“
Auch atmosphärisch hat sich der gebürtige Leerer schon gut zurechtgefunden in Essen: „Die Mannschaft ist top, wir verstehen uns. Es ist eine gute Mischung.“ Nichtsdestoweniger weiß der 22-Jährige, dass es in dieser Saison nicht immer rund lief: „Wir waren zu Beginn der Saison eine ganz neue Mannschaft. Dennoch fand ich das erste Spiel gegen die Sportfreunde Lotte, als wir nur einen Torschuss zugelassen haben, ziemlich gut. Auch gegen Aachen, als wir lange in Unterzahl waren, haben wir es nicht so schlecht gemacht. Uns fehlte zwischendurch einfach das Selbstvertrauen.“
Zumindest gegen die Viktoria brachte der Ex-Leverkusener genügend Selbstvertrauen als eine seiner Qualitäten mit auf den Platz. „Ich denke, dass ich technisch nicht schlecht bin und das Auge für den Mitspieler habe. Ich möchte mannschaftsdienlich spielen“, antwortet Steffen auf die Frage nach seinen weiteren Fähigkeiten. Das war gegen Köln beim 2:1-Siegtor bestens zu sehen, als er Kreyer mustergültig bediente.
Dass der Angreifer allerdings ebenso weiß, wo das Tor steht und wie er den Ball dort hinein bugsieren kann, ist allseits bekannt. Steffen selbst dazu: „Ich mache mir über sowas keinen Kopf wenn ich den Ball habe. Ich versuche, wenn möglich, zu schießen, und wenn er reingeht ist es ein geiles Gefühl.“ Schmunzelnd schließt er an: „Viele sagen, dass ich eine eigenartige Schusstechnik habe, und das macht mich unberechenbar.“
Unberechenbar sein
Diese Unberechenbarkeit will Steffen auf dem Platz zeigen – und zwar von Minute eins an. Dass der ehemalige deutsche Juniorennationalspieler dazu vielleicht das eine oder andere noch verbessern muss, gibt er offen zu: „Defensiv muss ich noch besser arbeiten, aber die letzten Spiele hat das schon besser funktioniert. An meinem Zweikampfverhalten arbeite ich auch noch.“
Nach einem guten Viertel der Regionalliga-Spielzeit ist Tobias Steffen bei Rot-Weiss Essen angekommen, und fokussiert sich auf die gesetzten Ziele: „Wir arbeiten jeden Tag daran. Persönlich will ich natürlich so viele Spiele wie möglich machen; so viele Tore und Vorlagen beisteuern wie möglich, damit wir mit der Mannschaft erfolgreich sind.“
Und dafür haben sich unsere rot-weissen Jungs um Trainer Marc Fascher ganz viele kleine Etappenziele gesetzt: „Man geht selbstverständlich nicht in ein Spiel und sagt: Wir holen heute einen Punkt oder wir verlieren. Dann ist man falsch auf dem Platz!“, sagt Steffen, „wir als Mannschaft wollen jedes Spiel gewinnen, auch wenn das nicht immer klappt. Wir geben immer 100 Prozent, manchmal mehr, um das Spiel zu gewinnen. Nur so ist unsere Marschroute.“