28. August 2015

„Ich war schon immer ballsüchtig!“

Linksverteidiger Tolga Cokkosan sieht sein „tolles Engagement“ bei RWE als Lohn der harten Arbeit.

Nicht wenige waren überrascht, als Tolga Cokkosan im Sommer als Neuzugang bei RWE präsentiert wurde. Dabei hatte sich der Linksverteidiger, nachdem das Aus der U23 beim VfL Bochum beschlossene Sache war, nochmal richtig ins Zeug gelegt. Der Lohn: die Chance bei RWE. „Der Saisonstart war für mich persönlich gut. Jetzt müssen nur noch die Ergebnisse passen.

Cokkosan, im Sommer aus Bochum verpflichtet, kennt seine Stärken genau: „Ich bin zunächst einmal Linksverteidiger, das ist das wichtigste. Von uns gibt es nicht so viele. Außerdem bin ich schnell und habe einen ganz guten linken Fuß. Dazu besitze ich den Ehrgeiz, immer zu gewinnen. Diesen Willen braucht man im Fußball.“

Es ist dieser Ehrgeiz, der ihn an die Hafenstraße geführt hat, und damit in ein volleres Stadion. Während er mit der U23 des VfL Bochum noch vor wenigen hundert Zuschauern – wenn überhaupt – kickte, sind es nun tausende in Essen. „Das ist auf jeden Fall ein geiles Gefühl. Schon beim Warmmachen war es überragend. Unvergessen ist natürlich das Pokalspiel gegen Düsseldorf.“ Zufrieden ist auch Trainer Jan Siewert: „Tolga hat das bis jetzt sehr gut gemacht. Er ist sehr ehrgeizig und lernt schnell dazu.“

„Tolga ist sehr ehrgeizig und lernt schnell dazu.“

Umso ärgerlicher aus Cokkosans Sicht, dass es punktemäßig in der Liga noch nicht läuft. Den Grund für den Stotterstart hat der Linksverteidiger ausgemacht: „Uns fehlen ein paar Tore mehr. Alles andere ist da. Wir haben ein funktionierendes System, stehen gut und kompakt, aber ein paar Prozent fehlen uns noch im letzten Drittel. Wenn wir weiter so arbeiten, dann klappt das aber bald!“

Er sollte Recht behalten. Schon im Heimspiel gegen Erndtebrück konnte Cokkosan ganze 9, ja eigentlich sogar 10 Tore seiner Mitspieler bejubeln – wenn auch aufgrund einer Herzbeutelentzündung nur von der Tribüne aus. So schnell wie möglich will er seine Mannschaft aber auch wieder auf dem Platz unterstützen.

Trotz seiner jungen Jahre liegt schon ein langer Weg hinter Cokkosan. Allerdings muss der 20-Jährige erst einmal überlegen, wie es mit seiner fußballerischen Karriere losging. Nun, das ist kein Wunder – sie fing schon im Pampers-Alter an. „Ich habe schon früh, als kleines Kind, angefangen mit dem Ball zu spielen. Meine Eltern haben mir ein paar Spielsachen hingelegt, aber ich wollte nur den Ball haben.“ Zugegeben: Seine eigenen Erinnerungen sind das nicht. Seine Eltern haben ihm die Geschichte erzählt, wie er zum runden Leder kam. „Ich war schon immer ballsüchtig“, sagt Cokkosan lächelnd.

Natürlich blieb es nicht bei Stoffbällen und dem elterlichen Wohnzimmer. Stattdessen zog es Tolga Cokkosan früh in die große, weite Welt des Fußballs. Schon mit drei(!) Jahren heuerte er beim FC Schalke 04 an, bevor er mit sechs Jahren zum VfL Bochum wechselte. Der VfL ist, das kann man problemlos sagen, sein Heimatverein. 14 Jahre lang schnürte er für die Jungs von der Castroper Straße die Fußballschuhe, durchlief praktisch jede Jugendklasse beim VfL.

Alles in das Fernziel investiert: Irgendwann Profi-Fußballer zu werden

Eine Zeit, an die er sich gerne erinnert. „Die Ausbildung habe ich sehr genossen. Es war natürlich ab und an sehr anstrengend, wenn man Schule und Training koordinieren musste. Ich hatte teilweise bis 17:30 Uhr Schule und musste direkt von dort abgeholt werden, um rechtzeitig beim Training zu sein. Da blieb die Freizeit schon mal auf der Strecke.“

Für die meisten Profis ein bekanntes Problem: Freunde, die nicht so hoch Jugendfußball spielen, fragen nach einem Treffen – die Antwort ist meist dieselbe, und nur selten positiv. Das Schönste an Cokkosans Ausführungen ist das Ende: „Wenn man merkt, dass man die Chance hat, bei so einem Verein wie RWE irgendwann einmal zu spielen, dann nimmt man das auf sich. Ich bin bei Rot-Weiss Essen, es hat sich also gelohnt.“

Dabei sah es vor wenigen Monaten noch so aus, als drohe Cokkosan erst einmal eine langwierige Vereinssuche. Möglicherweise sogar Arbeitslosigkeit. Rückblick: Bochum verkündete im Frühjahr das Aus für die U23 – und damit auch Cokkosans Aus an der Castroper Straße. Ein bitterer Moment in seiner jungen Karriere: „Wir haben wenige Wochen vor dem Saisonende davon erfahren. Wir waren geschockt, hatten aber damit gerechnet. Als es dann endgültig war, saß der Schock dennoch tief.“ Eine Erinnerung bleibt Cokkosan, das macht er deutlich: „Beim ersten Training war es totenstill. Keiner hat ein Wort gesagt.“

Unsicherheit im vergangenen Sommer

Mit gerade einmal 20 Lebensjahren, wovon er drei Viertel beim VfL verbrachte, erlebte er eine Situation, in der so mancher den Anschluss verlieren kann. Nicht aber Cokkosan: „Das sind diese Momente, in denen du stark sein musst. Man muss weitermachen, um Vereine auf sich aufmerksam zu machen. Ich bin sehr froh, dass ich so viel getan habe, um bei Rot-Weiss Essen spielen zu dürfen.“ Keine leeren Worthülsen, sondern das echte Befinden eines jungen Fußballers.

Unterstützung durch die Familie enorm wichtig

Umso glücklicher ist er über seine momentane persönliche Situation. Ein Schlüssel zu seinem erfolgreichen Engagement bei RWE ist seine Familie: „Ich habe meinen Eltern sehr, sehr viel zu verdanken. Sie haben so viel für mich getan. Wenn meine Eltern nicht hinter mir gestanden hätten, dann hätte ich es wohl nicht geschafft.“ Cokkosan, dessen familiäre Wurzeln in der Türkei liegen, wird von seinen Eltern noch immer begleitet: „Sie sind früher schon überall dabei gewesen, selbst bei U14-Turnieren in Berlin.“ Auch gegen Düsseldorf saßen 14 Familienmitglieder auf der Tribüne, „ein kleiner Fanclub“, schmunzelt Cokkosan.

Der junge Mann darf sich sicher sein, dass Familie und Freunde ihn auch im ersten Auswärtsspiel bei der SG Wattenscheid unterstützen werden. Dann soll nach dem ersten Heimsieg auch direkt der erste Erfolg auswärts gefeiert werden.