16. März 2017
„Wir spielen anders als noch in der Hinrunde“
RWE-Chef-Trainer Sven Demandt vor dem Heimspiel gegen Rot Weiss Ahlen
Noch nicht ganz ein Jahr ist Sven Demandt (52) als Cheftrainer bei Rot-Weiss Essen im Amt. Dennoch steht am Samstag (ab 14.00 Uhr) im Stadion Essen an der Hafenstraße für den Ex-Profi bereits das dritte Duell mit dem ehemaligen Zweitligisten Rot Weiss Ahlen an. Gleich zu Demandts Einstand am 8. April 2016 hatten die Essener im Ahlener Wersestadion einen wichtigen 2:1-Auswärtssieg eingefahren und sich damit wertvolle Luft im Abstiegskampf verschafft. Im September folgte im Hinspiel der laufenden Saison – erneut in Ahlen – ein souveräner 3:0-Erfolg. Nun trifft Sven Demandt mit seiner Mannschaft erstmals vor eigenem Publikum auf die abstiegsbedrohten Münsterländer und wird alle Hebel in Bewegnung setzen, um nach den positiven Auswärtsauftritten in Mönchengladbach (2:1) und Rödinghausen (1:1) den ersten Heimsieg im Jahr 2017 einzufahren. Vor dem Duell mit Rot Weiss Ahlen äußert sich der 52-Jährige im ausführlichen Interview.
Hallo Sven! Das Auswärtsspiel in Rödinghausen begann gleich mit einer unglücklichen Szene. Zwei Spieler der Gastgeber verletzten sich beim Kopfballduell mit Marcel Platzek gegenseitig, mussten lange behandelt und schließlich ausgewechselt werden. Die Partie war 15 Minuten unterbrochen. Wie seid Ihr mit der Situation umgegangen?
Sven Demandt: Das war schon nicht ganz einfach, denn so etwas hatte selbst ich in den vielen Jahren meiner Karriere selten erlebt. Kaum waren wir auf dem Platz, war das Spiel schon unterbrochen. Auch unsere Mediziner und Physios waren voll gefordert. Keine Frage: Alle Beteiligten standen noch einige Zeit danach unter dem Eindruck dieses heftigen Zusammenpralls, an dem Marcel übrigens aus meiner Sicht überhaupt keine Schuld traf, auch wenn er dafür die Gelbe Karte bekommen hat. Unter dem Strich hat das Spiel für beide Mannschaften unglücklich begonnen. Für uns kam noch hinzu, dass wir unmittelbar nach der Spielunterbrechung in Rückstand geraten sind und uns dann erst einmal ein wenig sammeln mussten. Das ist aber aus meiner Sicht eine normale Reaktion.
Trotz des unglücklichen Beginns gelang noch vor der Pause durch Kamil Bednarski der Ausgleich. In der Nachspielzeit hatte Kapitän Benjamin Baier sogar den Siegtreffer auf dem Fuß, traf aber nur die Unterkante der Latte! Warst Du deshalb enttäuscht über das Ergebnis?
SD: Es ist natürlich klar, dass es Unentschieden gibt, die sich im ersten Moment nicht so anfühlen wie ein Unentschieden, sondern eher wie eine Niederlage. Wir hatten schließlich in der letzten Minute die Chance, das Spiel für uns zu entscheiden. Beim Elfmeter fehlten dann nur wenige Zentimeter. Das kann passieren, damit müssen wir leben. Es zieht sich allerdings ein wenig wie ein roter Faden durch die gesamte Saison, dass wir nicht gerade vom Glück verfolgt werden und uns so schon die eine oder andere verdiente Belohnung entgangen ist. Unabhängig davon bin ich mit dem Spiel ab ungefähr der 25. Minute sehr zufrieden. Wir hatten ähnlich wie zuvor schon beim 2:1-Sieg in Mönchengladbach eine hohe Intensität, was Zweikämpfe und Laufbereitschaft betrifft. Nach dem Rückstand haben wir insgesamt ein sehr ordentliches Auswärtsspiel abgeliefert.
Ist die Mannschaft also auf dem Weg, die gewünschte Stabilität und Konstanz zu entwickeln?
SD: Das finde ich schon. Nach der Winterpause haben wir aus meiner Sicht dreieinhalb gute Spiele abgeliefert, unterdurchschnittlich war nur die erste Halbzeit gegen die U23 von Fortuna Düsseldorf. Wir treten schon anders auf als noch während der Hinserie, stören den Gegner wesentlich früher, haben uns auch in den Bereichen Aggressivität und Laufbereitschaft weiter verbessert. Da sind wir schon auf einem guten Weg. Arbeiten müssen wir vor allem an der Konsequenz und Durchschlagskraft im letzten Drittel vor dem gegnerischen Tor. Da besteht noch die meiste Luft nach oben.
Nach einer längeren Durststrecke erzielte Kamil Bednarski den Ausgleich in Rödinghausen. Wie sehr wird ihm das für die nächsten Aufgaben Auftrieb geben?
SD: Das Tor wird ihm mit Sicherheit gut tun. Vor dem Elfmeter war Kamil auch im Strafraum gefoult worden, hätte so endgültig zum Matchwinner für uns werden können. Wir wussten ja alle, dass er das Toreschießen nicht verlernt hat. Ich hoffe, es geht jetzt so weiter.
Positiv war auch der zweite Einsatz für Jeffrey Obst nach seiner fast einjährigen Verletzungspause. Wie bewertest Du die Entwicklung?
SD: Jeffrey bringt grundsätzlich eine sehr gute Physis mit. Wenn er fit ist, kann er für uns eine äußerst wertvolle Alternative sein. Ich drücke ihm die Daumen, dass er gesund bleibt und zu alter Stärke findet. Dann kann er uns mit Sicherheit helfen.
Im Gegensatz zum Gladbach-Spiel war Abwehrspieler Timo Becker zumindest wieder im Kader. Vor der Partie hattest Du ihn für seine Trainingsleistungen sehr deutlich kritisiert. Wie hat er das weggesteckt?
SD: Wenn ich einen solchen Punkt in der Pressekonferenz offen anspreche, dann kann man davon ausgehen, dass der Spieler diese Kritik von mir zunächst einmal schon im Vier- Augen-Gespräch zu hören bekommen hat. Timos Leistungen in den Spielen waren eigentlich immer in Ordnung oder sogar gut. Bei den Einheiten während der Woche hatte ich allerdings häufig das Gefühl, dass er nicht wie ein ehrgeiziger und hungriger Jundspund trainiert, sondern eher wie ein Routinier. Das geht nicht. In der Woche vor dem Spiel in Rödinghausen war es besser. Ich hoffe, er lernt daraus und macht so weiter.
Wie sieht es sonst personell mit Blick auf das Heimspiel gegen Rot Weiss Ahlen aus?
SD: Jan-Steffen Meier ist nach seinem Muskelfaserriss zu Wochenbeginn wieder in das Mannschaftstraining eingestiegen, könnte wieder in den Kader rücken. Bei Frank Löning, der immer noch Probleme mit der Ferse hat, sieht es nicht ganz so gut aus.
Nach zwei Auswärtssiegen in Ahlen unter Deiner Regie kommt es nun zum ersten Heimspiel gegen den ehemaligen Zweitligisten. Dabei sollte der dritte Dreier herausspringen, oder?
SD: Das ist selbstverständlich mein Wunsch und dafür werden wir auch alles geben. Wenn unsere Mannschaft ihre bestmögliche Leistung auf den Platz bringt, haben wir gute Chancen, dass uns das auch gelingen kann.
Wie wäre es mal wieder mit einem überzeugenden Sieg?
SD: Ich hätte ganz bestimmt nichts dagegen. (lacht) Das würde uns allen sicher gut tun. Aber das wird kein Selbstläufer. Entscheidend wird sein, wie wir auftreten. Wenn bei uns alles stimmt, dann sind positive Ergebnisse die logische Folge.
Rot Weiss Ahlen kämpft um den Klassenverbleib, belegt trotz eines Aufschwungs nach wie vor einen Abstiegsplatz. Wie schätzt Du den Gegner ein?
SD: Seit dem Heimsieg gegen die U23 von Fortuna Düsseldorf vor einer Woche sind die Ahlener wieder in der Verlosung, haben noch alle Chancen, einen Nichtabstiegsplatz zu erreichen. Man wird sehen, wie gut der Gegner sein Nachholspiel vom Mittwoch gegen den SC Wiedenbrück verkraftet hat. Wir stellen uns auf jeden Fall auf einen kampfstarken Gegner ein, der uns alles abverlangen wird.
Zum Abschluss noch ein Wort zur Pokalauslosung, die RWE für den 28. März ein Auswärtsspiel beim Ligakonkurrenten Wuppertaler SV beschert hat!
SD: Es ist keine Frage, dass wir lieber an der Hafenstraße gespielt hätten. Ich glaube aber auch nicht, dass uns in Wuppertal ein absolutes Auswärtsspiel erwartet. Sehr viele Fans werden uns begleiten und dort unterstützen. Grundsätzlich müssen wir es ohnehin nehmen, wie es kommt. Wer ins Pokalendspiel einziehen will, der muss überall gewinnen. Außerdem hat die Mannschaft schon bewiesen, dass sie auch in Wuppertal bestehen kann. Wir werden jedenfalls alles geben, um erneut in das Finale einzuziehen und die Chance auf die Teilnahme am DFB-Pokal zu wahren.