6. November 2020
„Ich brauche Tradition und Arbeitermentalität“


Ein Löwe an der Hafenstraße: Neuzugang Felix Weber im Porträt.
RWE hat einen Neuen im Bunde: Einen „Original-Bayer“, 185 Zentimeter, kantig, Innenverteidiger. 16 lange Jahre kickte er für den TSV 1860 München und führte die „Löwen“ lange Zeit als Kapitän aufs Feld. Von nun an ackert er für Rot-Weiss Essen. Willkommen im Pott und servus Felix Weber!
Hoch oben fühlt sich Felix Weber wohl. Mit den Alpen angrenzend an die hauseigene Fußmatte, ist Essens Neuzugang im bayrischen Ohlstadt, einer 3200-Seelen-Gemeinde zwischen München und Garmisch-Partenkirchen, geboren und aufgewachsen. Die meisten seiner 25 Lebensjahre verbrachte Weber dort, wo andere Urlaub machen, aber für ihn vor allem dort, wo seine Familie, Eltern, die beiden Geschwister und der engste Freundeskreis bis heute leben. „Ich bin ein Dorfkind“, beschreibt sich Weber selbst.
Zur Schule ging Weber in den Nachbarort, zum Kicken blieb er vorerst in Ohlstadt. Im Dorfverein, dem SV, trat Weber als damals Dreijähriger das erste Mal gegen die Pille. „Mein Papa war ewig 1. Vorsitzender, mein älterer Bruder ist Trainer im Nachbarort. Wir sind schon eine Fußballer-Familie“, erzählt er.
„Für die Bayern hab‘ ich nix über.“
Insgesamt sechs Jahre kickte Weber in seinem Heimatverein. „In der E-Jugend haben wir damals bei einem Turnier teilgenommen – mit Mannschaften aus ganz Oberbayern, das ist jedes Jahr ein Riesending da unten. Für so einen Dorfverein waren wir damals echt nicht schlecht.“ Erst in der vorletzten Runde mussten sich Weber und sein Team mit 0:3 geschlagen geben. Der Gegner? Die Löwen vom TSV 1860 München, bei denen der damals Neunjährige Eindruck hinterließ. Es klopfte in der Folge an der Wohnungstür der Webers. 1860 lud den Spross der Familie zum Probetraining ein. Alleine war man mit der Offerte damals allerdings nicht. Auch der FC Bayern wurde im Rahmen des Jugend-Turniers auf den jungen Weber aufmerksam. Zwei Klubs, zwei Angebote. „Ich konnte es mir damals aussuchen. Die Entscheidung hätte dem Neunjährigen leichter wohl kaum fallen können. „Ich war als Kind schon immer 60-Fan. Die wollten mich haben, da kam Bayern nicht in Frage. Für die hab‘ ich nix über.“ Ein Schritt, den Weber niemals bereute.
„Meine Eltern haben mich immer unterstützt.“ Auch der Opa hat seinen Enkel regelmäßig von der Schule abgeholt und zum Training in die bayrische Landeshauptstadt gefahren. „Einer aus meinem Jahrgang bei 1860 kam aus der Ecke bei mir. Da konnten sich unsere Familien mit der Fahrerei abwechseln.“ Weniger geändert hat sich in Sachen Lernerei, erinnert sich Weber. „Da war nicht so viel mit. Wir hatten das Mathebuch auf den Fahrten zwar immer aufgeschlagen, sind nach ein paar Minuten im Auto aber immer weggenickt.“
„Profi werden musste ich nie.“
Als Neunjähriger von der E-Jugend an, empfahl sich Weber Jahr für Jahr für den nächsthöheren Jahrgang, war bereits in mehreren Nachwuchsklassen Kapitän seiner Mannschaft sowie Jugend-Nationalspieler und spielte in der A-Jugend-Bundesliga gegen Gnabry, Kimmich oder Werner. Das Profidebüt für 1860 war eine Frage der Zeit. „Zwingend Profi werden musste ich aber nie. Ich habe nie Gas gegeben weil ich Druck hatte. Ich habe immer Gas gegeben, weil ich einfach Bock hatte.“
In der U17 fing Weber parallel zum Junioren-Fußballgeschäft eine Ausbildung als Bürokaufmann an, in Ohlstadt, im Betrieb des Onkels. „Ich wollte was anderes in der Hand haben.“ Der Preis: 6 Uhr aufstehen, 7 Uhr auf der Arbeit, anschließend Training, 22 Uhr daheim. Täglich. Auch wenn Malochen nicht unbedingt zum Wortschatz eines Urbayern wie Weber zählen dürfte, verkörpern tut er es zu 100 Prozent. Weber hängt sich rein, ein Typ Mensch, auf den man sich verlassen kann, ein Mitspieler, den man sich in der eigenen Mannschaft wünscht.
16 Jahre lang sah man das auch so beim TSV. 240 Mal lief Weber ab der U17 für seine Löwen auf, ein letztes Mal am 4. Juli dieses Jahres. Den Vertrag ließ man auslaufen. „Die letzten Monate waren keine einfache Zeit. Du spielst 16 Jahre für deinen Verein, bist in deiner Heimat. Da ist es schon schwer sich was anderes vorzustellen.“
„Mit Vereinen wie Wolfsburg kann ich nichts anfangen.“
Felix Weber ist definitiv kein Spieler für jeden Klub. Besser: nicht jeder Klub ist einer für Felix Weber. Er ist traditionsverbunden – ein Fußballer, der im richtigen Umfeld Bock hat und seine ganze Klasse zeigen kann. „Ich brauche Tradition und eine Arbeitermentalität, die zu mir passt. Ohne funktioniert es nicht. Mit Vereinen wie Wolfsburg oder so kann ich nichts anfangen.“
Anders mit den Rot-Weissen von der Hafenstraße. Als RWE-Sportdirektor Nowak beim Innenverteidiger zum ersten Mal durchklingelte, war dieser gerade im Urlaub. „Wir haben ausgemacht, dass ich mir erstmal die Stadt anschaue. Das erste was ich von Essen dann gesehen habe war das Stadion zum DFB-Pokal gegen Bielefeld.“ Guter Einstand.
Nach den darauffolgenden Tagen im Mannschaftstraining war für den Bayer die Sache fix. „Hier will ich bleiben. Mit diesem Umfeld, dem Gelände, dem Trainingsniveau. Mir war schnell klar: Hier geht was!“
Dass der Neuzugang hier seit der E-Jugend erstmals wieder „Der Neue“ ist und sich durchsetzen muss, sieht er selbst als Ansporn: „Jeder will auf dem Platz stehen, das ist bei mir genauso. Ich bin ein Arbeiter und gebe Gas im Training!“ Die Kapitänsbinde ist Weber dabei nicht wichtig. „Das war es nie für mich. Ein Führungsspieler bin ich wegen meines Charakters und nicht wegen der Binde.“ Weber verstellt sich nicht, um seinem Umfeld zu gefallen. Er redet Tacheles und zeigt klare Kante. So auch beim gemeinsamen Ziel mit Rot-Weiss. „Ich finde es gut, wenn man das Ziel Aufstieg klar ausspricht. Der Verein gehört hoch, das ist Fakt. Warum sollte man da rumeiern!?“
Für das Foto-Shooting zur neuen Hafenstreetwear-Reihe bekam Weber bereits Gelegenheit, ein bisschen mehr von seiner neuen Wahlheimat kennenzulernen. „Essen ist jetzt nicht unbedingt wie Bayern, hat aber auch seine verdammt schönen Ecken!“ Essener Hügel statt bayrische Alpen, doch hoch oben stehen, will Weber auch hier. Wenn nicht auf 1500 Metern, dann an der Tabellenspitze.?