1. Dezember 2020

„Top-Talente früher und länger an uns binden“

Stets um die rot-weisse Nachwuchsförderung bemüht: Jörn Nowak. (Foto: Endberg)
Stets um die rot-weisse Nachwuchsförderung bemüht: Jörn Nowak. (Foto: Endberg)

RWE-Sportdirektor Jörn Nowak zum NLZ und vielsprechenden Rot-Weissen

Jörn Nowak ist seit eineinhalb Jahren bei Rot-Weiss Essen als Sportdirektor tätig und hat in dieser Zeit an der Hafenstraße bereits einiges bewegt. Der 34-Jährige, der zuvor in gleicher Funktion für den Ligakonkurrenten und Revierrivalen Rot-Weiß Oberhausen gearbeitet hatte, ist neben dem Regionalliga-Kader, dem er seit seinem Amtsantritt ein neues "Gesicht" gegeben hat, auch für das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) an der Seumannstraße verantwortlich. Nicht zuletzt wegen des Ausscheidens des bisherigen Nachwuchsleiters Enrico Schleinitz aus dem Hauptamt stehen dort einige Veränderungen an. Jörn Nowak hat sich Zeit für ein Interview zur RWE-Jugend genommen. 

Hallo Jörn! Nachwuchsleiter Enrico Schleinitz wird aus beruflichen Gründen nicht mehr hauptamtlich für RWE tätig sein. Wie wird die Nachfolge geregelt?
Nowak:Der Wunsch von Enrico nach einer persönlichen Veränderung hatte uns relativ kurzfristig erreicht. Danach haben wir uns erst einmal sortiert und Gedanken gemacht, wie das Nachfolge-Profil aussehen könnte. Wir sind aktuell auf der Suche, werden uns dabei aber Zeit lassen, weil wir die Jugendabteilung in Zusammenarbeit mit Dirk Helmig in guten Händen sehen. Wir wollen möglichst zeitnah einen Nachfolger präsentieren. Sollte das aber erst zur neuen Saison passieren, wäre das auch keine Katastrophe. Wir sind alles andere als handlungsunfähig, zumal uns Enrico auch weiterhin unterstützen wird, wenn auch in einer anderen und reduzierten Form.

Wie groß ist die Lücke, die Enrico Schleinitz hinterlässt?
Enrico hat in den letzten Jahren sehr gute Arbeit geleistet. Er hat sich bei der Lizenzierung und Zertifizierung engagiert und die Jugendabteilung strukturell nach vorne gebracht. Die Lücke, die er hinterlässt, eröffnet für uns aber auch die Chance, die Verantwortung auf mehreren Schultern zu verteilen, um weiter nach vorne zu kommen. Ich sehe uns insgesamt auf einem guten Weg.

Mal allgemein gefragt: Wie sehr färbt das positive Abschneiden der ersten Mannschaft auf den Nachwuchs ab?
Erfolg macht es einfacher, Nachwuchsspieler an den Verein zu binden. Die Jungs sehen, dass es für sie Perspektiven im Verein gibt. Wichtig ist, dass beide Abteilungen im Verein großes Interesse an der jeweils anderen haben. Die Jugendabteilung kann sich nur weiterentwickeln, wenn die erste Mannschaft erfolgreich ist. Und die erste Mannschaft kann dauerhaft nur erfolgreich sein, wenn der Unterbau passt.

Die U19 und U17 gehen in dieser Saison jeweils als Aufsteiger wieder in den West-Staffeln der Junioren-Bundesligen an den Start. Wie bewertest Du zunächst das bisherige Abschneiden der U17?
Grundsätzlich ist es unser Ziel, uns dauerhaft mit beiden Mannschaften in den höchsten Spielklassen festzusetzen. Die U17 ist bislang in dieser Saison sehr mutig aufgetreten, was sie auch mit dem überraschenden Derbysieg bei Borussia Dortmund unterstrichen hat. Viele Spieler haben in der letzten Saison noch mit der U16 in der Leistungsklasse gespielt. Mit Borussia Mönchengladbach, Borussia Dortmund und dem SC Paderborn 07 hatten wir insgesamt ein straffes Auftaktprogramm. Gegen Paderborn hatten wir unglaubliche Torchancen, aber die Punkte gingen nach Ostwestfalen. Das war schade. Das mutige Auftreten, gepaart mit dem Herausspielen von Torchancen, muss das Team noch besser in Effektivität ummünzen, dann bin ich guter Dinge. 

Und wie sieht es bei der U19 aus?
Wir haben eine sehr talentierte U19. Ich möchte, dass die Jungs an ihre Stärke glauben und selbstbewusst auftreten. Wenn die Mannschaft ihr Potenzial abruft, stellt sich die Frage nach dem Klassenverbleib für sie gar nicht, weil unsere U19 aus meiner Sicht die Qualität für einen sicheren Mittelfeldplatz besitzt. Die Jungs wollen alle möglichst eines Tages für die erste Mannschaft an der Hafenstraße spielen. Wenn du aber vor 15.000 Zuschauern im Stadion bestehen willst, dann musst du es in der U19 schaffen, konstant deine Leistung auf den Platz zu bringen. Das ist ein wichtiges Kriterium für den Sprung nach ganz oben.

Wie wichtig ist für RWE grundsätzlich, dass die U17 und U19 in der höchsten deutschen Spielklasse vertreten sind?
Die A- und B-Junioren-Bundesliga ist ein Aushängeschild, mit dem sich RWE schmücken kann. Die Jungs wollen sich mit den besten Spielern ihrer Altersklasse messen und auch bei den Eltern geht in der Mehrzahl die Tendenz dahin, dass ihre Kinder so hoch wie möglich spielen sollen. Wenn wir nicht in der Bundesliga vertreten sind, wird es für uns wird es umso schwieriger, die Top-Talente zu halten. Das muss aber das Ziel sein 

Was willst Du verbessern, damit wieder mehr Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung in den Kader der ersten Mannschaft schaffen?
In der Entwicklung der Spieler haben wir speziell im athletischen Bereich noch Nachholbedarf. Dort haben wir den Hebel angesetzt. Wir müssen unsere Top-Talente früher und auch länger an den Verein binden. Das wird umso einfacher, je erfolgreicher wir mit der ersten Mannschaft sind, um den Jungs Perspektiven aufzeigen zu können.

Wird es denn leichter, talentierte Jugendliche für RWE zu gewinnen, wenn die erste Mannschaft eine Liga höher spielt?
Definitiv. Allerdings glaube ich gar nicht, dass wir ein großes Problem haben, junge Spieler für RWE zu begeistern. Unser Ziel ist es, so viele Essener wie möglich an den Verein zu binden. Die Stadt verfügt mit 600.000 Einwohnern über ein großes Potenzial und man muss nicht in ganz NRW scouten, um gute Spieler zu finden. Wir wollen unsere "Essener Lösung" mit Jugendspielern aus der Stadt weitergehen und den Gesamtverein insgesamt nach vorne bringen. Außerdem wollen wir gerne noch mehr in die Nachwuchsabteilung investieren. Aber das Geld muss in erster Linie über die erste Mannschaft verdient werden.

Noel Futkeu gehört als U19-Spieler bereits fest zum Regionalliga-Kader. Welche Talente nehmen sonst noch regelmäßig am Training der ersten Mannschaft teil?
Auch der erst 17-jährige Torhüter Jannik Hermans, der bei uns ein freiwilliges soziales Jahr absolviert, war dafür vorgesehen, fällt aber wegen einer Verletzung am Handgelenk vorerst aus. Noel war übrigens wegen eines Muskelfaserrisses im Oberschenkel ebenfalls vier Wochen aus dem Trainingsbetrieb raus, ist aber gerade dabei, sich zurückzukämpfen.

Welche Möglichkeiten gibt es noch, um die RWE-Talente gezielt zu fördern?
Einmal wöchentlich kommen unsere Top-Talente in einer Trainingsgruppe zusammen. Sie werden dort unter der Leitung des Trainerteams der ersten Mannschaft individuell gefördert. Auch Förderspiele sind in unserer Planung und Philosophie normalerweise fest verankert. Aber momentan ist das wegen der speziellen Corona-Saison mit den vielen englischen Wochen kaum zu realisieren.

Stichwort Corona: Wie geht der Nachwuchs mit der aktuellen Situation im Fußball-Lockdown um?
Die Jungs halten sich individuell fit und befinden sich mit ihren Trainern bei Video-Konferenzen im ständigen Austausch. Für die Spieler ist es eine ganz schwierige Situation, weil ihnen am Ende der Corona-Krise unter dem Strich ein ganzes Jahr Ausbildung fehlt.

Welche Rolle spielt noch die geplante Kooperation mit dem Nachbarn ETB Schwarz-Weiß Essen, bei dem inzwischen Dein Vorgänger Jürgen Lucas als Sportchef tätig ist?
Im Nachwuchs hat sich zunächst einmal nichts verändert. Beide Vereine versuchen, sich gegenseitig zu unterstützen. Im Seniorenbereich haben sich in beiden Vereinen gewisse Dinge verändert. Wir stehen weiterhin im Austausch und planen, die Kooperation in naher Zukunft neu zu justieren.

Auch wenn es wegen der Corona-Pandemie sicherlich aktuell schwierig ist: Wie sieht es mit der Kaderplanung für die kommende Spielzeit aus?
Die Jungs, die das RWE-Wappen im Herzen tragen, wollen wir weiterentwickeln. Wir sind weit davon entfernt, jedes Jahr den Kader gerade in der U17 und U19 komplett umzukrempeln. Wir sind auch hier, was die Durchlässigkeit angeht, auf einem guten Weg. Etwa 80 Prozent der jetzigen U19-Spieler waren bereits während der letzten Saison bei uns oder sind noch deutlich länger im Verein. Das ist eine gute Basis.