28. September 2021

Kultmarke ohne Eszett

Rot-Weiß Essen oder Rot-Weiss Essen? Die Geschichte unseres Vereinsnamens.

Kultmarke ohne Eszett – Rot-Weiss Essen
„Doppel-S“ statt „ß“: RWE schreibt sich in modernen Zeiten mit zwei S, wie hier auf der Jahreshauptversammlung zu sehen. (Foto: Endberg)

Über die richtige Schreibweise des Vereins und der rot-weissen Kultmarke wird immer wieder diskutiert, teilweise unter Einsatz abenteuerlicher Begründungen. So heißt es im offiziellen RWE-Jubiläumsbuch 2007: „Bei der Eintragung ins Vereinsregister unterlief dem zuständigen Sachbearbeiter beim Ordnungsamt ein Irrtum. Er hielt die Gründung von Rot-Weiss Essen mit doppeltem ,s‘ fest, nicht die von Rot-Weiß Essen mit so genanntem scharfen ,ß‘.“ Abgesehen davon, dass für das Vereinsregister das Amtsgericht und nicht das Ordnungsamt zuständig ist, ist diese Geschichte schlichtweg erfunden. Welche Schreibweise ist denn nun die richtige?

Natürlich die mit doppeltem –s, werden jetzt viele RWE-Fans sagen. Aber: Das galt in der Vergangenheit nur, wenn der Name durchweg in Großbuchstaben – also ROTWEISS ESSEN geschrieben wurde, denn es gab auf den Schreibmaschinentastaturen nun mal kein großes ß und dieser Buchstabe ist in Großschreibung auch erst seit 2017 Bestandteil der amtlichen deutschen Rechtschreibung

Rot-Weiß Essen

Schaut man sich dagegen alte RWE-Briefköpfe, Logos, Vereinszeitungen oder Einladungen zu Jahreshauptversammlungen an, dann wird schnell klar, dass es bis etwa zur Millenniumswende „Rot-Weiß Essen“ hieß. So stand es übrigens auch auf den Eintrittskarten zum Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1955, auf dem DFB-Plakat 1994 zum Pokalfinale in Berlin oder den Eintrittskarten ins Georg-Melches-Stadion, es sei denn der Vereinsame wurde dort in Großbuchstaben geschrieben. Anfang der 2000er Jahre stellte man auf den Eintrittskarten die Schreibweise dann ganz auf Großbuchstaben um – ROTWEISS ESSEN.

Seit 1999 ist RWE im Internet vertreten. „Ein moderner Klub muss sich auch modern präsentieren“, schrieb das Essener Sportjahrbuch und wie neu das kurz vor der Jahrtausendwende noch war, zeigt allein die Überschrift des Berichts: „http://www.rot-weiss-essen.de – ein Besuch lohnt sich“.

Kultmarke ohne Eszett – Rot-Weiss Essen


Die RWE-Postkarte von 1952 zeigt die offizielle Schreibweise des Vereins in einem Anschreiben an den DFB.

Rot-Weiss Essen

RWE schrieb seinen Namen auf der Vereinshomepage nun konsequent in der Schreibweise Rot-Weiss Essen. Schließlich hat jede Institution das Recht, die Schreibweise des eigenen Namens selbst festzulegen und die Adresszeile eines Browsers kennt nun mal kein ß. Unter dem Link Pressespiegel tauchte diese Schreibweise so auch beim Reviersport auf. Die Berichte der WAZ und NRZ wurden auf der RWE-Vereinshomepage aber immer noch in der Schreibweise Rot-Weiß Essen wiedergegeben. Essens Tageszeitungen wollten sich noch ein ganzes Jahrzehnt nicht der neuen Schreibweise anpassen.

Den nur schleichenden Wechsel in der Schreibweise kann man sehr gut in der Vereinszeitung „kurze fuffzehn“ nachvollziehen. Hier erfolgte die Umstellung erst zu Beginn der Saison 2001/02. In der 2. Ausgabe vom 18. August 2001 heißt es noch im Impressum „Rot-Weiß Essen“. Im Heft selbst tauchen in den Beiträgen mal die eine, mal die andere Schreibweisen auf. Ab der 4. Ausgabe vom 7. September 2001 hieß es dann sowohl im Impressum und als auch im Heft „Rot-Weiss Essen“. Zur gleichen Zeit wurde die Schreibweise allmählich auch bei der Einladung zur Jahreshauptversammlung umgestellt – ebenfalls noch Anfang der 2000er Jahre mal mit der einen, mal mit der anderen Schreibweise.

Seit 10 Jahren schreibt auch die Presse Rot-Weiss

Bei der schreibenden Zunft von NRZ und WAZ hieß es dagegen konsequent bis zum 1. Juli 2011 weiterhin Rot-Weiß Essen. Doch der Verein von der Hafenstraße setzte unter seinem neuen Vorstandsvorsitzenden Michael Welling auf neue Alleinstellungsmerkmale und diese sollten sich auch im Namen wiederfinden. Mit einem auf der Vereinshomepage veröffentlichten „Leserbrief an die WATZ“ machte RWE deutlich, dass man in Zukunft auch in den beiden großen Tageszeitungen Rot-Weiss Essen lesen wollte. Schließlich habe man „diesem besonderen Verein seinen heute in der Satzung und im Markenregister eingetragenen Namen gegeben – den wir erst am Sonntag auf unserer Mitgliederversammlung bei den Satzungsänderungen nochmals betonten.“

Bei allem Witz und letztlich erfolgreichem Ausgang des Ansinnens hatte das Anschreiben durchaus groteske Formen. Das Unverständnis über die alte Schreibweise nahm in dem Schreiben sogar politische Züge aus den Zeiten des Kalten Krieges und der daraus verbundenen Schreibweise der Springer-Presse bezüglich des Wortes DDR an. RWE beklagte sich: „Und heute finden wir dann unseren Namen richtig geschrieben, aber mit An- und Abführungszeichen versehen … woran erinnert uns das noch?“ Für alle Nicht-Bild-Leser: Die Springer Presse schrieb den zweiten deutschen Staat immer nur in An- und Abführungsstrichen, also „DDR“.

Der Aufruf endete mit den Worten: „Am 01. Juli werden wir eine (quasi) Prohibitionsparty machen, werden wir mit einer Sause am Georg-Melches-Stadion unseren (Wieder-)Geburtstag feiern. Wir sind an dem Tag dann schuldenfrei, aber ohne Geld. Wir laden Dich ein, das mit uns zu feiern und würden uns über ein Geschenk zu diesem (Wieder-) Geburtstag freuen. Das Geschenk, uns so zu schreiben, wie wir uns selbst schreiben. Wir würden uns sehr freuen und mit noch größerer Freude allmorgendlich auf diese roten Buchstaben auf weißem Grund schauen. Auch dadurch würdest Du zum SCHÜTZER werden: Zum SCHÜTZER des Kulturgutes ROT-WEISS ESSEN.

Dem konnte sich Essens Presse-Flagschiff natürlich nicht entgegenstellen. Sportlokalchef Rolf Hantel antwortete und machte dem Verein in seinem Artikel gleichzeitig ein Geschenk zum (Wieder-)Geburtstag nach dem erfolgreich abgeschlossenen Insolvenzverfahren: „Weil wir aber auch für Euch arbeiten, sind wir natürlich darum bemüht, alle zufriedenzustellen. Also haben wir ins Vereinsregister der Stadt Essen geschaut.

Und was gefunden? Den Eintrag ,Rot-Weiß Essen‘. Ach Gott… Gleichwohl ist in eurer Vereinssatzung verankert und wurde jüngst unter §1 bekräftigt: ,Der Verein führt den Namen ,Rot-Weiss Essen e.V.‘. Wahrscheinlich lasst Ihr das Amtliche ja bald ändern. RWE ist eine Marke, ein Kulturgut, das geschützt werden muss, sagt Ihr. Und ein Eigenname. Das ist so. Also muss es und wird es künftig auch bei uns ,Rot-Weiss Essen‘ heißen!“

Die Vereinsfarben bleiben allerdings von der Orthografie her rot und weiß, auch wenn das die aktuelle Vereinssatzung anders schreibt.

Ein Beitrag unseres ehrenamtlichen vereinshistorikers Georg Schrepper.