19. November 2021

Mein erstes Mal Hafenstraße!

Wie Rot-Weisse an den legendären Ort gekommen sind.

Die Rot-Weiss-Essen-Mannschaft von 2010/2011 feiert an der legendären Hafenstraße.
Die Rot-Weiss-Essen-Mannschaft 2010/2011 jubelt im legendären und altehrwürdigen Georg-Melches-Stadion mit den treuen Fans. (Foto: Rotzoll / jawattdenn)

Die Hafenstraße ist ein magischer Ort: Auf den Tribünen wird Woche für Woche mit dem Steh- oder Sitznachbarn geplauscht, bevor die Mannschaft für die drei Punkte angefeuert wird. Schon siet mehr als 100 Jahren existiert der Fußball-Anlaufpunkt an der Grenze der Stadtteile Vogelheim und Bergeborbeck und zieht nicht nur Essener in seinen Bann. Das beweist auch die jüngst angelaufene Fundraising-Aktion, um die rot-weisse Heimspielstätte in „Stadion an der Hafenstraße“ umzubenennen, an der sich Fans und Nicht-Fans aus ganz Fußballdeutschland beteiligen. Wie seid ihr vom RWE-Virus infiziert worden? Im ersten Teil von Georg Schreppers Serie blicken vier eingefleischte RWE-Fans zurück, die seit den 1950er, 1960er, 1970er und 1990er Jahren zur Hafenstraßen kommen und den Virus auch an ihre Kinder und Enkel weitergegeben haben.

Bernd: Seit 50 Jahren kaum ein Heimspiel verpasst

Mittlerweile bin ich 76 Jahre alt und ich war das erste Mal – es muss im Jahre 1958 gewesen sein – mit Freunden an einem Wochentag abends an der Hafenstraße. Ein Freundschaftsspiel unter Flutlichtbedingen gegen Alemannia Aachen. An dieses Spiel erinnere ich mich noch ganz gut, denn es spielten noch ein Teil der Helden aus der Meisterelf. Um ein paar Namen zu nennen: Helmut Rahn, Penny Islacker, Heinz Wewers, Willi Köchling und auch Fritz Herkenrath.

An diesem Abend, anders kann ich es nicht bezeichnen, hatte mich das RWE-Virus voll erwischt. Ich habe danach auch kaum ein Heimspiel der Rot-Weissen verpasst und im Stadion mit der Mannschaft gefiebert.

Wilhelm: Ein Pilgerweg zur Hafenstraße

Meine ersten Kontakte mit dem Profifußball machte ich bei Besuchen am Uhlenkrug. Mein Vater, ein eingefleischter Schwarz-Weißer, nahm mich regelmäßig zu den Heimspielen mit. Zu Rot-Weiss kam ich dann zum ersten Mal in der Saison 1962/63. Gemeinsam mit einigen Freunden liefen wir von Ende Frohnhausen zu Fuß zum Georg-Melches-Stadion. Rot-Weiss spielte damals nicht in der Oberliga West (damals 1. Liga), sondern in der Regionalliga (damalige 2. Liga). Anders als im Uhlenkrug-Stadion begeisterte mich hier die einmalige Stimmung. Als mein Vater davon erfuhr, dass ich die Hafenstraße aufgesucht hatte, war er alles andere als begeistert. Zunächst verbot er mir weitere Besuche im Georg-Melches-Stadion, das damals diesen Namen noch gar nicht trug (erst seit 1964). Seiner Meinung nach waren die Zuschauer bei Rot-Weiss Essen an der Hafenstraße nicht der richtige Umgang für mich. Er drückte sich vorsichtig aus, wenn er sagte, dass man in der Stadt davon redete, dass dort nur Proleten anzutreffen seien.

Doch von der Saison 1963/64 an bin ich dann regelmäßig zu den Spielen gegangen. Wenn wir in Frohnhausen losliefen, waren wir vielleicht fünf Jungen. Auf unserem Weg über die Hirtsiefer-Kolonie (Bockmühle), den Schölerpad bis hin zum Stadion wurden wir immer mehr. Manchmal waren es mehr als 30 Kinder. Oftmals wurden wir von Erwachsenen mit ins Stadion genommen. Manchmal gab es kaum noch Platz zum stehen. Dann sind wir auf die Bäume geklettert um das Spiel zu verfolgen. Aus der damaligen Mannschaft sind mir noch einige Spieler Namen sehr geläufig: Werner Kik, Klaus Fetting, Eckehard Feigenspan, Adolf Steinig, Manfred Frankowski, Heinz-Dieter Hasebrink, Werner Schaaf, Manfred Fallisch und Herbert Weinberg.

Vor allem wenn Hasebrink zu seinen Freistößen antrat, schallte es im Stadionrund „Hase, Hase“. Überhaupt war es die Stimmung, die uns Jungen zu jedem Heimspiel pilgern ließen. Später dann folgten auch die Aufstiegsrunden mit den Auswärtsspielen. Der Virus Rot-Weiss ist sehr ansteckend. Unseren Sohn habe ich bereits im Alter von sechs Jahren mit ins Stadion genommen. Meine Enkelsöhne habe ich gleich von der Geburt an als Mitglieder bei Rot-Weiss angemeldet. Anscheinend schaffen sie es in der neuen Saison wieder vor ein paar Tausend Zuschauern zu spielen. Ich jedenfalls würde gerne mit den Enkelkindern und meinem Sohn die Heimspiele besuchen kommen.

Wir holen die hafenstraße zurück!

Rot-Weiss Essen sorgt mit der Fundraising-Aktion für einen bislang einzigartigen Schritt in der deutschen Fußballlandschaft. Während diverse nationale Fußballvereine den Stadionnamen gegen Mehrerlöse an Dritte veräußern, erwirbt RWE das Namensrecht selbst und schafft ein eigenes Erlösmodell, bei dem alle Fans, Mitglieder Partner und Freunde des Vereins als „Stadionpaten“ gleichberechtigt einen kleinen Anteil zum Erfolg beitragen können. „Dafür benötigen wir die Unterstützung aller Essener“, so Vorstand Marcus Uhlig. Für eine Stadionpatenschaft wird alle 6 Monate, gestreckt auf 5 Jahre, der symbolische Beitrag von 19,07 Euro fällig. Alternativ können Rot-Weisse 190,70 Euro für den gesamten Zeitraum einmalig entrichten. Ob Unternehmen oder Fan, jeder „Stadionpate“ zählt!

Achim: Mein Stammplatz im GMS

Ich war ein kleiner Junge und mein Vater nahm mich am 13. Februar 1971 mit an die Hafenstraße zum Bundesligaspiel gegen Bayern München. Auf dem Hinweg sagte ich zu meinem Papa, dass da doch Gerd Müller und Beckenbauer spielen, darauf antworte er :„Na und, wir haben Willi Lippens!“

RWE gewann überragend 3:1 gegen die Bayern, ein Küchenmesser flog aus der Westkurve in Richtung Sepp Meier, die Atmosphäre war unglaublich. Wir standen oben auf der Haupttribüne im Block D, dass wurde mein Stammplatz bis zum Abriss des GMS. Mein Vater schaut heute aus dem Himmel zu und ich bin regelmäßig mit meinem Sohn im Stadion und irgendwann vielleicht mit meinem Enkelkind, bis ich von oben zuschauen werde.

Pascal: Eine große rot-weisse Familie

Ich bin im Januar 1983 in Essen geboren. Mein erstes Mal an der Hafenstraße war mit meinem Vater am 07.11.1992. Das Pokalspiel gegen Chemnitz. Da stand ich nun mit neun Jahren im Block K am Zaun über dem Tunnel. Ich war ein paar Monate zuvor mit meinem Opa in der verbotenen Stadt beim Spiel Schalke gegen Duisburg. Das war mein erstes Fußballspiel im Stadion überhaupt, aber es ist nicht zu vergleichen mit der Wucht, die an diesem kalten Novemberabend über mich hereinbrach! Das Stadion rappelvoll und die Unterstützung von den Rängen in den 90 Minuten im alten Georg-Melches Stadion war einfach einmalig. RWE verlor das Spiel an der Hafenstraße nach hartem Kampf zwar mit 0:1, aber dafür gewannen sie an diesen Abend einen neuen Fan hinzu! Nach dem Spiel ging mein Vater mit mir zum Fanmobil und kaufte mir meinen ersten RWE-Schal, den ich bis heute habe und der bei jedem Spiel dabei ist. Außer vielleicht bei Temperaturen von 30 Grad. Ich bin dankbar für den Abend und auch stolz und froh, dass mein Vater mich mitgenommen hat.

Als RWE-Fan hat man es nicht immer leicht. Es ist immer ein auf und ab, aber ich habe sehr viele schöne und legendäre Momente an der Hafenstraße erlebt, die ich nie vergessen werde. Heute bin ich 38 Jahre alt, habe seit Jahren eine Dauerkarte und gehe so oft ich kann ins Stadion. Mein Vater ist nicht mehr so oft dabei, dafür nehme ich jetzt meinen Sohn und ich kann in seinen Augen die gleiche Begeisterung sehen, die ich als kleiner Junge hatte. Und ich denke, so soll es sein. Auch wenn der Erfolg nicht immer da ist, so muss man trotzdem zusammen halten. Wie in einer Familie! Und das sind wir alle. Eine große rot-weisse-Familie.

Ein Artikel des ehrenamtlichen rot-weissen Vereinshistorikers Georg Schrepper.

Stadionpatenschaften: 1.000 donnerstagabend geknackt!

Die erste Hürde auf dem Weg zu 10.000 Stadionpatenschaften ist dabei genommen! RWE konnte am Donnerstagabend vermelden, dass bereits 1.014 Plätze auf den zwei LED-Anzeigetafeln gesichert sind. Das zeigt: Die Fundraising-Aktion, an der sich Fans und Unternehmen beteiligen um ein Stück rot-weisse Historie weiterzuschreiben und die Heimspielstätte auf „Stadion an der Hafenstraße“ zu taufen, wird in der rot-weissen Familie und über ihre Grenzen hinaus gut angenommen.