24. November 2021
Mein erstes Mal Hafenstraße – Teil 2
Monika erinnert sich an ihren Premieren-Stadionbesuch.


Die Hafenstraße ist ein magischer Ort: Auf den Tribünen wird Woche für Woche mit den Steh- oder Sitznachbarn geplauscht, bevor die Mannschaft für die drei Punkte angefeuert wird. Schon seit mehr als 100 Jahren existiert der Fußball-Anlaufpunkt an der Grenze der Stadtteile Vogelheim und Bergeborbeck und zieht nicht nur Essener in seinen Bann. Das beweisen Sportbegeisterte aus dem ganzen Land auch wieder bei der Fundraising-Aktion zum „Stadion an der Hafenstraße“, wie die rot-weisse Fußballarena ab Januar 2022 für mindestens fünf Jahre offiziell heißen wird. Im zweiten Teil unserer Fangeschichten berichtet Monika wie sie es endlich schaffte, ihren Vater zu überzeugen – der selbst ein großer RWE-Fan war -, dass sie als Mädchen mit 13 Jahren in der Saison 1973/74 endlich ins Stadion gehen durfte.
„Mein erstes Mal Hafenstraße… Da erinnere ich mich an zwei Erlebnisse: Meine früheste Kindheitserinnerung und mein erster richtiger Besuch, an dem ich auch ins Stadion durfte, um ein Punktspiel des großen RWE zu sehen.“
Als Dreijährige stehe ich mit meiner Mutter auf der Hafenstraße an der Bahnschranke und warte auf meinen Vater. Und ich weiß, das Wochenende ist gerettet, wenn unser geliebter RWE gewonnen hat. Dann wird Papa mich auf den Schultern nach Hause tragen. Was für mich zu dieser Zeit das Größte war. Die Menschenmassen, die mir entgegen kamen haben mich sofort fasziniert. Da sich in Bezug auf Fußball bei uns alles um Rot-Weiss Essen drehte, war auch klar, dass sich niemand bei uns einen anderen Verein auszusuchen musste. Im Ruhrpott ist es halt früher so gewesen. Der Verein war Teil der Familie und Familie kann man sich nicht aussuchen. Für die steht man ein, egal was passiert. Auf meinen ersten Tag in dem Stadion, das dann zu dem werden sollte was für mich Heimat ist, musste ich noch sieben Jahre warten. Und es gingen lange „Kämpfe“ mit meinem Vater voraus. Mein Bruder spielte zu dieser Zeit selbst Fußball bei TUS 84/10 und er nahm mich eines abends mit zu einem Freundschaftsspiel an die Germaniastraße, bei dem RWE dort auf der Platzanlage antrat.
In diesem Moment war es um mich geschehen. Ich wollte unbedingt ins große Stadion. Ich fragte meinen Vater und der lehnte – für mich völlig unverständlich – erst einmal ab. Natürlich durfte die kleine Prinzessin sich am Wochenende auf dem Schoß des Vaters die Fußballreportagen im Radio anhören und auch die Sportschau gucken. Aber ins Stadion? Viel zu gefährlich. Außerdem gingen kleine Mädchen nicht ins Stadion und auch erwachsene Frauen waren eher selten anzutreffen. Da war meine Mutter schon eine ziemliche Ausnahme zu den Zeiten, in denen sie noch mit meinem Vater ins Stadion ging. Aber mein Vater konnte seit einem schweren Arbeitsunfall nicht mehr ins Stadion. Da ein Stehplatz seitdem nicht mehr möglich und ein Tribünenplatz für ihn zu teuer war, musste er die Besuche im Stadion leider einstellen.
Endlich ins Stadion
Ich gab natürlich nicht auf und warf alles in die Waagschale. Bitten, Betteln, Weinen, Wütend mit den Füßen trampeln. Aber alles nutzte erst einmal nichts. Mein Vater fragte sich wahrscheinlich, warum kann das Mädchen nicht wie alle ihre Klassenkameradinnen am Wochenende auf den Ponyhof fahren. Aber da hatte ich nie auch nur irgendein Interesse dran. Das war ja auch viel teurer als ein Stadionbesuch und gar nicht machbar.
Nach dem Motto „Erfolg durch Penetranz“ gab mein Vater schließlich nach. Und am 13. Spieltag der Saison 1973/74 war es endlich soweit. Mein Bruder, vier Jahre älter als ich, durfte mich mit ins Stadion nehmen. Ich erinnere mich noch genau, wie wir bei der Verabschiedung in der Diele stehen und mein Vater meinen Bruder eindringlich darauf hinweist, dass er auch ja gut auf seine Schwester aufpasst. Und sollte der Prinzessin auch nur Haar gekrümmt werden, brauche er gar nicht mehr nach Hause kommen. Aber auch diese Warnung konnte uns unsere Vorfreude nicht nehmen.
Rot-Weiss war gerade wieder in die 1. Bundesliga aufgestiegen und stand für einen Aufsteiger nicht schlecht da: 13. Platz mit zwei Punkten Vorsprung auf den Abstieg. Wer der Gegner an diesem Oktober war, wusste ich nicht, war mir aber auch egal. Wir gingen die 4,5 Kilometer zur Hafenstraße natürlich zu Fuß. Mein Bruder durfte bei Vorlage seines Spielerpasses für den sogenannten Sportgroschen ins Stadion. Für mich musste der Eintritt für Kinder voll bezahlt werden.
Es war ein Altweibersommer-Tag. Die Sonne schien und es war für einen Oktobertag recht warm – zumindest im Sonnenschein. Da die Westkurve, in der mein Bruder eigentlich immer stand, schon damals berüchtigt war und es sich um ein Ruhrgebietsderby gegen den MSV Duisburg handelte, zog mein Bruder es vor, seine kleine Schwester erstmal auf der Nordtribüne ans Stadion zu gewöhnen.
Rot und Weiss sind deine Farben – du mein RWE!
Ich war sofort gefangen von der Atmosphäre. Wir standen eng an eng. Die Sonne brachte das Stadion an der Hafenstraße für mich zum strahlen. Nie war ein Rasen grüner. Nie strahlten die Farben Rot-Weiss in der Westkurve schöner. Dann kamen die Spieler aufs Feld und die Aufregung stieg ins Unermessliche für mich. Die Trikots der Rot-Weissen so wunderschön. Als mein Blick auf die blau-weißen Trikots der Zebras fiel, war sofort klar, dass diese Farbkombination so gar nicht mein Ding ist. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Die einzige Farbe, die zu Blau passt, ist Gelb, denn das sind die Stadtfarben von Essen.
An den genauen Spielverlauf kann ich mich naturgemäß nicht mehr recht erinnern. Ich weiß noch , dass viele Tore für unseren RWE gefallen sind und wir glücklich nach dem Sieg nach Hause kamen. Da fielen die 4,5 Kilometer gar nicht mehr ins Gewicht. Das änderte sich natürlich im Laufe der Zeit, z. B. nach Niederlagen im Regen…
Das Spiel gegen den MSV Duisburg ging 4:2 für unseren RWE aus. Am 34. Spieltag lagen wir sechs Punkte vor dem ersten Abstiegsplatz. Für mich war klar, dass es für immer so weiter gehen wird. Der große RWE wird immer gegen den FC Bayern spielen und irgendwann würde es auch für uns wieder um die Deutsche Meisterschaft gehen. Auch wenn ich gewusst hätte, was der Fußballgott für unseren Verein und uns Fans noch bereit hielt, hätte ich mich dennoch nicht für einen anderen Verein entschieden.
Wir holen die hafenstraße zurück!
Rot-Weiss Essen sorgt mit der Fundraising-Aktion für einen bislang einzigartigen Schritt in der deutschen Fußballlandschaft. Während diverse nationale Fußballvereine den Stadionnamen gegen Mehrerlöse an Dritte veräußern, erwirbt RWE das Namensrecht selbst und schafft ein eigenes Erlösmodell, bei dem alle Fans, Mitglieder Partner und Freunde des Vereins als „Stadionpaten“ gleichberechtigt einen kleinen Anteil zum Erfolg beitragen können. „Dafür benötigen wir die Unterstützung aller Essener“, so Vorstand Marcus Uhlig. Für eine Stadionpatenschaft wird alle 6 Monate, gestreckt auf 5 Jahre, der symbolische Beitrag von 19,07 Euro fällig. Alternativ können Rot-Weisse 190,70 Euro für den gesamten Zeitraum einmalig entrichten. Ob Unternehmen oder Fan, jeder „Stadionpate“ zählt!