4. Januar 2022

Historie: Nationalmannschaft zu Gast in Essen

Vereinshistoriker Georg Schrepper über zwei besondere Deutschland-Spiele.

Die Nationalmannschaft mit den RWE-Spielern Heinz Wewers, Helmut Rahn und Bernhard Termath in Essen.




In der deutschen Nationalelf spielten vom RWE Heinz Wewers (5. von links), Helmut Rahn (6. von links) und Bernhard Termath (5. von rechts). (Foto: Archiv)

Im November 2021 wurde Erolind Krasniqi in die Junioren-Nationalmannschaft des Kosovos berufen. So reiht sich das Mittelfeld-Talent in die Liste der Rot-Weissen ein, die einmal für ihr eigenes Land spielten. Bei der Ruhrgebiets-Länderspielpremiere nach dem Zweiten Weltkrieg im Dezember 1951 waren sogar drei RWEler mit von der Partie. Am Uhlenkrug kickten Helmut Rahn, Bernhard Termath und Heinz Wewers für Deutschland gegen Luxemburg. Ein Rückblick!

Laut Presseberichterstattung hätten über 80.000 Karten verkauft werden können, zwischen 40.000 und 45.000 Zuschauer fanden schließlich Einlass. Zusammen mit der etwa gleich großen Menschenmasse 1956 im Freundschaftsspiel von Rot-Weiss Essen gegen Honved Budapest ist das bis heute immer noch städtischer Zuschauerrekord. Die Gegend rund um das Stadion ist an diesem Tag vor Heiligabend weiträumig abgesperrt. Zwischen 11.30 Uhr und 16.30 Uhr durfte kein Auto die Wittekindstraße und die Wittenbergstraße befahren. Nicht so schlimm für die Zuschauer, denn vor den Toren des Stadions hielt damals noch die Straßenbahn. Mit Wintermänteln und Hüten machte sich das damals fast ausschließlich männliche Publikum auf den Weg ins Stadion. Wilhelm Herbert Koch berichtete nach dem Spiel in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) begeistert von der Organisation: „Essen hat sein erstes Fußball-Länderspiel mit Note 1 bestanden. Die ganze Organisation und Abwicklung war hervorragend, und die Essener Polizei zeigte mit Einsicht und Verstand, wie man auch einen Massenandrang am Essener Uhlenkrug spielend meistern kann.“

Rot-Weisse Tore und Sonderklasse im Nationaltrikot

Für die jungen Essener Stürmer Rahn (22) und Termath (23) wurde es ein ganz besonderes Spiel, denn beide erzielten am Essener Uhlenkrug ihr erstes Länderspieltor. Termath bekam darüber hinaus ausgezeichnete Kritiken: „Der deutsche Sturm mit herrlichen Zügen, glänzend der Flügel Fritz Walter – Termath!“ Essens Nachwuchstalent erzielte in der 13. Minute mit einem Drehschuss die verdiente 1:0-Führung. Dabei blieb es bis zur Pause, denn erst nach dem Wechsel fand die deutsche Nationalmannschaft richtig ins Spiel. Angetrieben vom „Motor im Angriff: Fritz Walter“ waren die RWE-Stürmer an allen Toren beteiligt. Der Dürener Georg Stollenwerk staubte zum 2:0 nach einem tollen Schuss von Rahn ab, den Luxemburgs Torwart nur abfälschen konnte. Termath stand wenig später goldrichtig und traf nach Flanke von Rahn in der 63. Minute zum 3:0. Das schönste Tor des Tages wurde aber Rahn zugesprochen, der ein Zuspiel zum 4:0 abschloss. Termath gelang sogar noch ein dritter Treffer, dem der Schiedsrichter „aus nicht erkenntlichen Gründen“ jedoch die Anerkennung verweigerte. Dafür gelang den Gästen mit dem 4:1-Ehrentreffer ein wenig Ergebniskorrektur.

„Sonderklasse“ lautete die Spielerkritik für Termath, „mit der Note, im Augenblick als Linksaußen in Deutschland unerreicht zu sein. Seine Sprints, seine Technik, sein Vermögen, den Ball auch aus dem schärfsten Winkel noch vors Tor zu kriegen, wurden durch Fritz Walter voll zum Tragen gebracht.“ Helmut Rahn wurde eine gute Leistung attestiert, der „mit einer besseren Läuferreihe noch stärker hätte glänzen können.“

Deutscher Meister gegen Fußballweltmeister

Nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft traf RWE 1956 dann selbst auf die deutsche Nationalelf. Im Uhlenkrug-Stadion spielte Rot-Weiss im April gegen den Fußball-Weltmeister. Bundestrainer Sepp Herberger hatte folgende Elf nominiert: Kwiatkowski, Juskowiak, Posipal, Mai, Landerer, Eckel, Hermann, Pfaff, O. Walter, Morlock und Klodt. Trainer Fritz Szepan schickte für Rot-Weiss Essen folgendes Aufgebot auf den Rasen: Herkenrath, Jänisch, Köchling, Jahnel, Wewers, Grewer, Wöske, Vordenbäumen, Seemann, Ekner und Rahn.

Besondere Aufmerksamkeit galt dem Schweden Dan Ekner, der sein Debüt im Rot-Weiss-Trikot gab. Er war von Atletico Madrid an die Hafenstraße gewechselt und konnte – wie das gesamte Team – an diesem Tag überzeugen.

RWE und die Nationalmannschaft sorgten für einen Schlagabtausch auf Augenhöhe. „Prachtvolle Vorstellung am Uhlenkrug – die deutsche Nationalmannschaft und der Deutsche Fußballmeister Rot-Weiss Essen lieferten sich einen glänzenden und technisch brillanten Kampf“, schrieb die WAZ später auf ihrer Titelseite. Der WAZ-Sportredakteur Wilhelm Herbert Koch ergänzte: „Seit der Weltmeisterschaft in Bern hat die deutsche Nationalmannschaft nicht mehr so großartig gespielt wie im Trainingsspiel gegen den Deutschen Fußballmeister Rot-Weiss Essen, der ebenfalls nicht mehr eine so prachtvolle Leistung wie gegen die Nationalmannschaft gezeigt hat.“

Helmut Rahn, der Deutschland zwei Jahre zuvor eigenhändig zum Titelträger machte, brachte RWE mit einem Schuss aus 20 Metern 1:0 in Führung. Noch vor dem Seitenwechsel kam die Nationalmannschaft durch ein Elfmetertor von Juskowiak zum 1:1-Ausgleich. Nach dem Wechsel hatte der Deutsche Meister weitere gute Chancen, erfolgreich zum 1:2 war allerdings Ottmar Walter für das Weltmeisterteam. Dem im Dezember 2021 verstorbenen Horst Eckel gelang dann noch das 1:3, ein dem Spielverlauf nach zu hohes Ergebnis.

Der „Kicker“ kommentierte: „Die Rot-Weiss-Freunde berauschten sich an einem der glanzvollsten Spiele, das der Deutsche Meister seit Langem vorführte. Kein Nationalspieler leugnete: Eine Stunde lang sah Rot-Weiss Essen eher wie der Sieger aus. Das Spiel hatte internationales Niveau. Die Niederlage fiel mit 1:3 zu hoch aus. Vor allem: Das 3:1 hatte sich ebenso gut Rot-Weiss verdient!

Die RWE-nationalspieler in den 50ern:

  • Helmut Rahn (1951 – 1959: 36 Spiele, 19 Tore)
  • Fritz Herkenrath (1954 – 1958: 21 Spiele)
  • Heinz Wewers (1951 – 1958, 12 Spiele, 1 Tor)
  • Bernhard Termath (1951 – 1954: 7 Spiele, 4 Tore)
  • Clemens Wientjes (1952: 2 Spiele)
  • Franz Islacker (1952: 1 Spiel)
  • Willi Köchling (1956: 1 Spiel)
  • Walter Zastrau (1958: 1 Spiel)

Ein Beitrag unseres ehrenamtlichen Vereinshistorikers Georg Schrepper.