2. Februar 2022

Magische Momente!

Heute vor einem Jahr: RWE schmeißt Bayer Leverkusen aus dem DFB-Pokal.

Rot-Weiss Essen jubelt nach dem Sieg gegen Bayer Leverkusen.
Einer der größten Momente der rot-weissen 2000er-Jahre: Der Pokalerfolg gegen Bayer Leverkusen. (Foto: Endberg)

Es ist der 2. Februar 2021. Die letzten Sekunden des DFB-Pokal Achtelfinals zwischen Rot-Weiss Essen und Bayer 04 Leverkusen im Stadion an der Hafenstraße laufen. Zuschauer dürfen nicht da sein – Corona. Die Uhren zeigen irgendetwas um 21.03 Uhr am Abend. Der Champions-League-Teilnehmer, komplett in schwarz-gekleidet, im Pressing. Kerem Demirbay, seines Zeichens ehemaliger deutscher Nationalspieler, setzt 20 Meter vor dem Gehäuse von RWE-Keeper Daniel Davari zu einer letzten Schlussoffensive unter Essener Flutlicht an, möchte Flügelflitzer und Welt-Talent Moussa Diaby einsetzen, Jonas Hildebrandt kommt Demirbay zuvor. Auf dem löchrigen Rasen verspringt die Kugel und der rot-weisse Abwehrspieler fängt das viel zu schwach abgegebene Leder ab. Hildebrandt läuft ein Stück, dann nimmt Schiri Daniel Schlager die Pfeife in den Mund – Feierabend!

Der Pokal hat seine eigenen Regeln – ist schon klar! Doch dass Rot-Weiss Essen,  – deutschlandweit bekannter Viertligist – unüberwindbares Hindernis für einen der Top-Vereine im Bundesliga-Spitzenfußball wird, hätte wohl beim Anstoß um 18.30 Uhr noch keiner erwartet.

Rückblick, Januar: Christian Neidhart, der mit seinem Team in den Vor-Runden schon überraschend Bundesligist Arminia Bielefeld (1:0) und Fortuna Düsseldorf (3:2) aus dem Pokal befördert hatte, gibt in der ARD Sportschau, bei der der Gewinner aus der Partie Leverkusen gegen Eintracht Frankfurt zugelost wird, zu Protokoll: „Wir müssen demütig sein, dass wir noch dabei sein dürfen.“ Der Wunsch des Trainers: Frankfurt. Durchsetzen tun sich neun Tage nach der Auslosung dann dennoch die Leverkusener. Sogar recht deutlich: 4:1.

Wer sich darauf nicht freut, dem kann ich auch nicht mehr helfen.

RWE-Trainer Christian Neidhart vor dem Spiel.

Und natürlich – wie soll es anders sein – steigt die Spannung vor der Partie doch ins Unermessliche. „Mit Bayer kommt ein ‚Top 5‘-Team der Bundesliga. Wer sich darauf nicht freut, dem kann ich auch nicht mehr helfen“, lässt Neidhart in der Stadionzeitschrift „kurze fuffzehn“ verlauten, der Chef-Coach weiß auch von „Welten“ zwischen Leverkusen, wittert mit der Taktik „möglichst lange die Null halten“ aber eine Chance.

Und die Devise seines Coachs befolgt der heutige Kapitän und Torhüter Davari von der ersten Minute an: Fußabwehr gegen Lucas Alario (7.) und Charles Aranguiz (28.), Kopfball-Abwehr gegen Edmond Tapsoba (51.) – um nur einige Beispiele zu nennen. Die wohl dickste Parade des Abends liefert der WM-erfahrene Schnapper nach 89 Zeigerumdrehungen: Den Distanzschuss von Diaby lenkt Davari an den linken Pfosten, genau wie den Nachschuss von Aranguiz an den rechten. Der Schlussmann klammert sich mit letzter Kraft ins Tornetz. Puh, gehalten – Verlängerung!

Bei all dem Torwartspiel in Perfektion ist es schon mehr als ein Stich ins rot-weisse Herz, als Marco Kehl-Gomez bei strömendem Regen unter Bedrängnis von Tapsoba eine Demirbay-Flanke aus dem Strafraum köpft, die unglücklich 20 Meter vor dem Tor exakt bei Verteidiger Aleksandar Dragovic auf dem Schlappen landet, der Leon Bailey einsetzt und der jamaikanische Flügelfitzer nach 105 Zeigerumdrehungen ins linke untere Ecke trifft.

Rot-Weiss Essen

Fotos: Endberg 

Rot-Weiss Essen

 

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Doch RWE steckt nicht auf: Marcel Platzek und Cedric Harenbrock sollen frischen Wind auf den vom Kampfsport gezeichneten Platz bringen – und das schaffen sie. Der Blondschopf auf den routinierten Stürmer und „Fußballgott“, der macht eine gekonnte Pirouette, spielt sich so frei, zieht aus 15 Metern direkt drauf, Bayer-Torhüter Lukas Hradecky wehrt in Davari-Manier nach vorn ab und da steht Kefkir goldrichtig. 108 Minuten gespielt – plötzlich ist RWE zurück, 1:1.

Neun Minuten später: Wieder geht Harenbrock auf dem rechten Flügel ein paar Schritte, lässt mit einem kurzen Pass die Leverkusener Abwehrkette alt aussehen, setzt Engelmann ein und der trifft aus spitzem Winkel. RWE führt: Nicht nur die Eckfahne, die der Goalgetter bei seinem Torjubel umtritt leidet, auch Leverkusen in Schockstarre.

Und plötzlich wird’s doch nochmal heiß: RWE darf Bekanntschaft mit einer Neuerung der Fußballmoderne machen. Schlager bemüht den Video Assistant Referee. In der Entstehung des Treffers könnte Frimpong am Trikot gezogen worden sein – wohlbemerkt im Essener Strafraum. Plötzlich steht der Referee, genau wie RWE und Leverkusen, vor der Frage: „Tor und Führung Rot-Weiss oder Elfmeter für Leverkusen?“ Bange Momente vergehen, bis der württembergische Schiedsrichter zeigt: Tor RWE! Ein zweiter Jubel! Ein paar Minütchen später ist klar: Rot-Weiss ist weiter!

Unmittelbar nach Schlagers Abpfiff schmeißt sich der gelb-gekleidete Davari in den Fußballrasen-ähnlichen Matsch vor ihm. Binnen Sekundenbruchteilen entreißt sich Herzenbruch das Trikot vom Leib. Hahn und Platzek fallen sich in die Arme, der ausgewechselte Capitano Kehl-Gomez stürmt das Spielfeld, Harenbrock wälzt sich nach 120 langen Minuten auf dem Boden. Es entstehen surreal anmutende Bilder, die mit der rot-weissen Geschichte ewig verbunden bleiben. Irgendwann in 20, 30 oder 40 Jahren wird eine ganze Stadt auf diese Momente schauen und sagen: „Weißt du noch damals, gegen Bayer Leverkusen?“

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