12. März 2022
Meine Heimat RWE!
Lektüre am spielfreien Wochenende: Die Geschichte der Hafenstraße.
An der Hafenstraße wird gelacht, gejubelt, geflucht und geweint – alle Emotionen so nah beieinander, und das seit mehr als 100 Jahren. Die 97A an den Stadtgrenzen Bergeborbecks und Vogelheims ist seit eh und je die Heimat von Rot-Weiss Essen. Zum spielfreien Wochenende bietet Vereinshistoriker Georg Schrepper Lektüre: Die Geschichte des RWE-Zuhauses, die Historie der Hafenstaße!
Die Wurzeln: Wie alles anfing!
Ein Ball, ein neuer Sport und eine sich dafür begeisternde Familie. Die Eltern Katharina und Heinrich Melches unterstützten den Wunsch ihrer Söhne Georg und Hermann, Fußball zu spielen. Und das in einer Zeit, wo dies vielfach verpönt war. Sie legten ihren Söhnen zum Weihnachtsfest 1906 einen Fußball auf den Gabentisch. Die heimliche Geburtsstunde von RWE. In einem Rückblick aus dem Jahre 1925 heißt es: „Der Ball war die Hauptsache, das andere fand sich von selbst: Spieler, mehr als nötig waren, an Platz fehlte es in der Borbecker Mark auch nicht.
Die ersten Wettkämpfe fanden zwischen Straßen- und Gartentor auf Melches-Hof statt. Die weiteren zwischen Bäumen und Sträuchern der Zechenwiesen.“ Ein Wohnumfeld also, das den jungen Fußballbegeisterten eine Heimat bot, um ihrem Freizeitvergnügen nachzugehen. Die Waschküche im Elternhaus Melches diente als erster Versammlungsort der jungen Fußballpioniere. Auch die Vereinsanschrift war lange Zeit die des Elternhauses Melches.
Die wachsende Spielgemeinschaft brauchte aber schließlich eine eigene feste Vereinsspielfläche. Den fand sie an der Vogelheimer Straße 97 (später 97a), die seit 1936 Hafenstraße heißt. Dort ist unser Verein seit 1920 beheimatet und man baute dort 1939 die Sportanlage zum ersten Stadion aus. Im Zweiten Krieg weitgehend zerstört, beschloss RWE schon kurz nach Ende des Nationalsozialismus auf der ersten Mitgliederversammlung am 31. August 1945 – die vor den Trümmern der Tribüne auf dem verschlammten Spielfeld stattfand – den Wiederaufbau.
Hafenstraße: Stolz eines Stadtteils!
Das Stadion an der Hafenstraße wurde in den 1950er Jahren dann sogar zu einem der modernsten Stadien in der Zeit des Wirtschaftswunders ausgebaut. Hier leuchtete die erste Flutlichtanlage in einem Ruhrgebietsstadion, feierlich eingeweiht am 8. August 1956 mit dem 100. internationalen Freundschaftsspiel und einem 4:0-Sieg gegen Racing Straßburg. Das erste Spiel im Europapokal der Landesmeister mit deutscher Beteiligung fand in Bergeborbeck am 14. September 1955 mit dem Spiel RotWeiss Essen gegen Hibernian Edinburgh statt. Zwischen 1954 und 1957 entstand die Haupttribüne als eine Multifunktionsanlage, die unter den 4784 Sitzplätzen sogar Wohnungen, einen Verwaltungsbereiches, eine Turnhalle, die Vereinsgaststätte und viele weitere Räumlichkeiten beherbergte. Im Außenbereich errichtete man außerdem Tennisplätze und eine Gartenanlage – die „Kleine Gruga“.
In der Verbandszeitung des Westdeutschen Fußballverbandes wurde die Anlage mit dem Sportpark von Arsenal London verglichen: „Bergeborbeck ein deutsches Highbury“. Der Stolz auf diese sportliche Heimat kommt in einer Postkarte zum Ausdruck. Sie ist nur auf den ersten Blick die Autogrammkarte der rot-weissen Spieler. Ihre Konterfeis waren austauschbar wie die Vorlage zeigt. Im Mittelpunkt steht der Stolz auf die geschaffene und ausgebaute Heimat, die Platz – und Stadionanlage an der Hafenstraße von Rot-Weiss Essen.
Wo sind wir zuhause –Alte und neue Heimat!
Rot-Weiss Essen spielt im Grunde immer noch da, wo alles begann. Trotzdem mussten die Fans gefühlte Verluste der angestammten Heimat erleben. Ursprünglich ist die Heimat der eingefleischten Fans die Westkurve gewesen. Hier standen Originale wie Moses, Sirenen-Willi oder Lothar, der Schreck vom Niederrhein. Sie wurde wegen Baufälligkeit erst geschlossen und dann abgerissen, und so ging es weiter auf die Nordtribüne in den Block K. Doch auch hier musste man wegen Teilsperrungen und dem Abriss der Tribüne weichen und fand sich zum Schluss sogar auf den ursprünglichen Gästeplätzen wieder – der Osttribüne.
Im neuen Stadion ist dagegen die Heimatverbundenheit wieder an vielen Orten ablesbar. Auf der Haupttribüne steht der Schriftzug „Wo sind wir Zuhause, wo wird man uns immer hören … An der Hafenstraße, RWE!“ Der neue Standort der eingefleischten Fans ist die „WAZ-Westkurve“, die einzige Fußballtribüne, die geographisch eigentlich im Osten liegt. Die beiden VIP-Bereiche der Haupttribüne tragen die Namen Assindia und Zeche Hafenstraße, die Gegengerade erinnert an Weltmeister Helmut Rahn. Sogar ins Straßenverzeichnis der Stadt Essen ist er seit Oktober 2018 mit dem Helmut-Rahn-Platz aufgenommen, der sich zwischen dem Parkplatz P2 und der „WAZ-Westkurve“ befindet.
Die neue kleine Gruga
Ein neues Stück Heimat entsteht außerdem am Ort des alten Stadions durch die GMS-Initiative, ein Fanprojekt zum Erhalt und Aufbau eines Streifens rot-weisser Geschichtskultur. Seit Mai 2015 wächst auf der Grünfläche entlang der Einfahrt zum Stadion an der Hafenstraße eine RWE-Erinnerungslandschaft. Ziel des von den Fans selbst organisierten Projekts ist es, einen Zeitstrahl des Traditionsvereins zu schaffen, der Stück für Stück erweitert wird. Es ist Deutschlands einziges Fußball-Freilichtmuseum. Weit über 20 Exponate und Informationstafeln sind mittlerweile aufgestellt und weitere in Planung.
Und so ist die Hafenstraße 97a mit all ihren Veränderungen seit über 100 Jahren unsere Heimat und jeder kann heute mit 19,07 €/Halbjahr für die nächsten fünf Jahre als Stadionpate seine Heimatverbundenheit ausdrücken. Mehr Infos hierzu erhalten Rot-Weisse unter www.stadionanderhafenstraße.de
Ein Beitrag von Georg Schrepper.