27. Januar 2023

Remis-König trifft Spitzenreiter

Duellcheck: SV Elversberg bestätigte Form aus dem Hinspiel immer wieder.

Remis-König trifft Spitzenreiter – Rot-Weiss Essen
Morgen fordert Björn Rother (r.) mit den Rot-Weissen die Elversberger um Thore Jacobsen (l.). (Foto: Höft)

Hätte wer am 23. Juli 2022 um 13.59 Uhr erzählt, was eine halbe Stunde später beim Drittliga-Auftakt Rot-Weiss Essen gegen die SV Elversberg auf der Anzeigetafel im Stadion an der Hafenstraße steht – man hätte es ihm wohl nicht geglaubt. Bei allen Geschichten, die die Drittliga-Saison 2022/23 gerade schreibt, ist diese Story so etwas wie die bislang Verrückteste! RWE liegt nach 26 Zeigerumdrehungen 1:4 gegen den auf Augenhöhe geglaubten Mit-Aufsteiger zurück, betreibt Schadensbegrenzung und verliert am Ende „nur“ 1:5. Euphorie-Bremse Elversberg – aber mal so richtig! Freitag (19.00 Uhr) kommt es unter Flutlicht in der URSAPHARM-Arena an der Kaiserlinde anlässlich des Rückrundenstarts zum Wiedersehen beider Liga-Neulinge. Seither hat sich viel getan – im Saarland wie im Ruhrgebiet.

Die Ausgangslage:

„Wir haben viel Arbeit vor uns“, kommentierte Chef-Trainer Christoph Dabrowski nach der krachenden Heim-Niederlage in der Hinrunde. Die hat die Hafenstraßen-Truppe wohl gut erledigt: Mit sieben Punkten Vorsprung auf den Abstiegsrang rangiert Rot-Weiss Essen derzeit auf dem 13. Tabellenplatz.

In jüngster Vergangenheit hat es RWE dennoch mit einem kleinen Stimmungsdämpfer zu tun. In Paderborn kassierten die Essener gegen den SC Verl mit der allerletzten Sekunde nach einer Einwurf-Hereingabe den Ausgleich. Kurios: Obwohl die Kicker nach dem Remis reichlich angefressen waren (Rother: „Verschenkte Punkte! Wir hätten einen ganz wichtigen Auswärtssieg holen können.“), stellte man sich nach Abschluss des Spieltags als eine Art Gewinner aus dem Untergeschoss heraus. Weil der Hallesche FC (2:3 gegen Wiesbaden), der VfB Oldenburg (1:3 gegen Dresden) und Borussia Dortmund (1:2 gegen Osnabrück) allesamt Niederlagen hinnehmen mussten, rückte die Dabrowski-Elf einen weiteren Zähler von den Abstiegsrängen weg.

Mit einem Sieg im Saarland wäre nun theoretisch der Sprung bis auf den 9. Tabellenplatz möglich. Da Dynamo Dresden (27 / Montag gegen 1860 München) und Viktoria Köln (27 Punkte / Sonntag gegen Waldhof Mannheim) jedoch eine deutlich bessere Tordifferenz aufweisen, sind die Chancen, diese Klubs zu überholen, wohl rein rechnerisch. Bessere Aussichten hat die Hafenstraßen-Elf, bei der derzeit 24 Punkte auf der Habenseite stehen, da möglicherweise am MSV Duisburg (25 / Samstag gegen Osnabrück) oder SC Verl (24 / Samstag gegen Saarbrücken) vorbeizuziehen.

Gegen Tabellenführer Elversberg kann sich das nun schon neun Spiele ungeschlagene RWE derweil eine Top-Position nicht strittig machen lassen: Selbst wenn das Kräftemessen nicht Remis endet, bleibt Essen Unentschieden-Spitzenreiter der 3. Liga. Von 19 Partien endeten neun in einer Punkteteilung. „Für mich sind das verlorene Zähler“, monierte Mittelfeld-Motor und Routinier Thomas Eisfeld in der Trainingswoche.

Eine der Hauptursachen für den Remis-Rekord ist wohl fehlende Torgefahr. Nur in fünf Partien dieser Saison erzielten die Rot-Weissen mehr als einen Treffer. Die durchschnittlich 1,3 Tore pro Duell lassen sich derweil besonders auf den 5:3-Sieg gegen Oldenburg und das 3:0 beim SC Freiburg II zurückführen.

Passend dazu ist bester Torschütze ein Abwehrmann – allerdings einer, der verdammt häufig trifft! Felix Bastians verdiente sich mit seinem sechsten Saisontreffer per selbst herausgeholtem Elfmeter gegen den SC Verl bereits die vierte „kicker-Elf des Spieltags“-Nominierung der laufenden Saison.

Remis-König trifft Spitzenreiter – Rot-Weiss Essen
Der vermeintliche Siegtreffer: Spät traf Bastians gegen Verl per Elfmeter zur Führung, noch später glichen die Ostwestfalen aus. (Foto: Höft)

Gut gebrauchen kann RWE eine Konstante in der Abwehr besonders nach einem überraschenden Abgang: Unter der Woche verließ Mannschaftskapitän Daniel Heber nach insgesamt achteinhalb rot-weissen Jahren die Hafenstraße: „Als Trainer verliert man seinen Kapitän mitten in der Saison natürlich ungerne“, beklagt Coach Dabrowski, „nichtsdestotrotz haben wir vollstes Vertrauen in unseren Kader und ausreichend Qualität, um in dieser Liga zu bestehen!“ Auch Erolind Krasniqi, der auf Leihbasis zum Hamburger Vorort-Klub Teutonia Ottensen in die Nord-Regionalliga wechselte, wird in der Rückrunde nicht mehr für RWE auflaufen.

Hoffnung macht derweil, dass Essen etwas wie ein Favoritenschocker ist. Das letzte Spiel, was die Dabrowski-Truppe gegen eine Top-5-Mannschaft verlor, war Elversberg. Darauf folgte ein 2:2 gegen Ingolstadt (zu diesem Zeitpunkt 2.), 1:0 gegen Saarbrücken (3.), 3:0 gegen Freiburg II (4.), 1:1 gegen Dresden (4.) und 1:1 bei 1860 München (5.). „Wir müssen aus einer kompakten Defensive heraus gegen solche Gegner nicht so viel selbst das Spiel gestalten. Das liegt uns aktuell besser“, vermutet Eisfeld den Grund für die Positivstatistik.

Weiterhin in Elversberg verzichten muss RWE derweil auf Felix Götze (Muskelfaserriss), Sandro Plechaty (Muskelbündelriss) und Michel Niemeyer (Aufbautraining). Der Einsatz von Ron Berlinski ist wegen einer Wadenverhärtung fraglich.

Der Gegner:

Dass der 5:1-Erfolg gegen die SV Elversberg über RWE kein bloßer Ausreißer war, dürfte jeder Drittliga-geneigte Zuschauer mittlerweile verstanden haben. Die vom Ex-MSVler Horst Steffen trainierte Saarland-Auswahl ist mit satten 44 Zählern Tabellenführer. 14 Siege, zwei Remis und nur drei Niederlagen machen die SVE zum Top-Kandidaten für den Aufstieg in die 2. Bundesliga und somit den Durchmarsch: Elversberg war im Sommer erst aus der Südwest-Regionalliga hochgekommen.

Stolze sieben Punkte trennen das Steffen-Team vom zweitplatzierten SV Wehen Wiesbaden, acht Punkte sind es bis zum Rivalen 1. FC Saarbrücken und dem Relegationsplatz. Da die Reserve des SC Freiburg auf dem vierten Platz nicht aufsteigen kann, liegt der nächste Platz, in dem es nach Saisonende nicht mindestens um den Sprung in die Zweitklassigkeit gehen würde, elf (!) Punkte entfernt: so viele Zähler sind es zum fünftplatzierten zwischenzeitlich ärgsten Konkurrenten um die Liga-Spitze 1860 München.

Nachdem es mit einer 0:1-Niederlage in Wiesbaden zwischenzeitlich so aussah, als würde der Restrundenstart in die Hose gehen, lehrte Elversberg mit der Partie gegen den FC Ingolstadt alle Kritiker eines Besseren. In einem unerbittlichen Kampf behielten die Saarländer durch ein 4:3 drei Zähler an der Kaiserlinde.

Remis-König trifft Spitzenreiter – Rot-Weiss Essen
Mehr als nur ein „normaler“ Aufsteiger: Die SV Elversberg ist Drittliga-Spitzenreiter. (Foto: SVE)

Mit 46 erzielten Treffern bei nur 18 kassierten Toren ist die SVE die erfolgreichste Mannschaft der 3. Liga. Siege tütet das Steffen-Team dabei besonders gern in der ersten Halbzeit ein. In acht Spielen stand nach der Anfangsviertelstunde eine schwarzweiße Führung, dreizehnmal ging es mit einem Elversberger Vorsprung zum Pausentee.

Erfolgsgeheimnis sind dabei besonders die gefährlichen Offensivspieler. Luca Schnellbacher teilt sich mit dem Dresdner Ahmet Arslan derzeit mit zehn Treffern die Spitzenposition in der Liga-internen Torjägerliste. Der 28-jährige Stürmer kickte zuvor für Preußen Münster. Ulm-Neuzugang Jannick Rochelt ist mit acht Treffern und sieben Vorlagen bester Scorer der Drittliga-Saison. Bremen-Talent und U20-Nationalspieler Nick Woltemade, der trotz seiner jungen 20 Jahre auf 18 Erst- und Zweitliga-Einsätze blickt sowie Routinier Kevin Koffi (u. a. SSC Neapel, AS Rom [ITA] und KVC Westerlo [BEL]) komplettieren die schwarzweiße Sturmspitze.

Mit Luca Dürholtz steht zudem ein Ex-Rot-Weisser in Elversberger Reihen. Der 29-Jährige stieg im Sommer mit RWE in die 3. Liga auf, entschied sich Ende August nach zwei Drittliga-Kurzeinsätzen an der Hafenstraße jedoch für einen Wechsel zum jetzigen Spitzenreiter. Dürholtz war bereits zwischen 2019 und 2021 Kapitän der Saarländer.

Das Hinspiel:

Der 23. Juli 2022 war ein denkwürdiger Tag, der nach dem endlich geschafften Aufstieg den hochemotionalen und euphorischen Premieren-Spieltag in der 3. Liga darstellen sollte.

Auf dem Feld kam jedoch alles anders: Ein Doppelschlag von Routinier Kevin Koffi (7. / 10.) brachte die SVE in Führung, ehe Berlinski in einer turbulenten Anfangsphase den Anschluss erzielte (13.). Cedric Harenbrock verschoss zwischendrin einen Foulelfmeter zum möglichen Ausgleich (9.). Ein Doppelpack von Schnellbacher (23. / 26.) stellte die Machtverhältnisse an diesem Tag klar. Mit seinem Treffer setzte Semih Sahin den Schlusspunkt auf die Partie (82.).

Remis-König trifft Spitzenreiter – Rot-Weiss Essen
Zu wenig! Statt Euphorie blieb am 1. Spieltag bei den RWE-Profis nach Abpfiff nur Frust über. (Foto: Endberg)

Während Elversberg-Coach Steffen nach dem Spiel hochzufrieden war („Wir sind bemerkenswert gut in die Partie gekommen!“), haderte sein Gegenüber Dabrowski auf der anschließenden Pressekonferenz: „Wir haben die Gegentore sehr einfach zugelassen und waren nicht zielstrebig genug nach vorne. Da können wir nicht zufrieden sein!“

Dass Elversberg eine Woche später Bundesligist Bayer Leverkusen mit 4:3 n.V. aus dem Pokal schmiss, deutete erstmals an, dass vielleicht nicht allein die ungenügende rot-weisse Leistung ausschlaggebend für die hohe Niederlage war.

Vorherige Duelle:

Vielleicht ein gutes Omen? Rot-Weiss Essen hat in Elversberg noch nie verloren. Das letzte Duell an der Kaiserlinde gewannen die Rot-Weissen 4:0. Unter anderem trafen in der West-Regionalliga-Staffel in ihrer alten Form am 13. März 2012 die Hafenstraßen-Ikonen Timo Brauer sowie Kevin Grund.

Von insgesamt neun Partien gegeneinander, entschied die SVE noch dazu erst eine für sich – das Hinspiel im Juli. Viermal trennten sich die Teams Remis, viermal siegte Rot-Weiss.

Das Stadion:

Die URSAPHARM-Arena an der Kaiserlinde, früher „Waldstadion Kaiserlinde“, bietet Raum für 10.000 Fußballfans und befindet sich in der saarländischen Provinz Spiesen-Elversberg. Das zwischen 2013 und 2015 modernisierte Stadion ist überwiegend mit Stehplätzen, 6.320 an der Zahl, ausgestattet. Dem stehen mehr als 3.400 Sitzplätze gegenüber.

Für das gemeinsame Drittliga-Aufeinandertreffen hat die SVE Rot-Weiss 1.150 Tickets zur Verfügung gestellt, von denen 850 vergriffen sind. 300 Karten sind noch an der Tageskasse erhältlich.

Das Wetter:

Frisch doch trocken! Für Freitagabend ist ein Grad angesagt.

Übertragung:

MAGENTA SPORT überträgt den Restrundenstart ab 18.30 Uhr. Kommentiert wird die Partie von Markus Höhner, Thomas Wagner leitet als Moderator durch die Sendung.

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