26. Mai 2023

Duellcheck: Wiedergutmachungsbedarf auf beiden Seiten

RWE möchte Drittligajahr mit drei Punkten gegen Verl beschließen.

Rot-Weiss Essen-Angreifer Ron Berlinski im Zweikampf mit 1860-Verteidiger Jesper Verlaat.
Reicht es für Ron Berlinski trotz zweier Brüche zum Einsatz gegen den Ex-Klub? (Foto: Höft)

Wenn am kommenden Samstag, um etwas nach 15.15 Uhr der Abpfiff ertönt, dann ist das erste Drittliga-Jahr für das sechzehntplatzierte Rot-Weiss Essen offiziell beendet. Gegen den SC Verl (Anstoß 13.30 Uhr) geht es für RWE nur noch um „Tabellen-Kosmetik“, der Klassenerhalt ist glücklicherweise seit dem letzten Spieltag erreicht. Doch Chef-Trainer Christoph Dabrowski möchte im Stadion an der Hafenstraße auch etwas Wiedergutmachung betreiben: Letztmalig gewann sein Team Anfang April ein Heimspiel, überhaupt der einzige sportliche Liga-Sieg der vergangenen zwei Monate. Doch der aus der Regionalliga West bekannte Gegner wird ebenfalls probieren, seinen mitreisenden Fans etwas zurückzugeben. Viermal nacheinander verloren die Ostwestfalen. Alle Infos zum allerletzten Drittliga-Kräftemessen nordrhein-westfälischer Klubs in der Saison 2022/23 hier im Duellcheck.

Die Ausgangslage:

Das vergangene rot-weisse Wochenende war eine Talfahrt der Gefühle. Trotz ordentlicher erster Halbzeit unterlag das RWE-Team dem Halleschen FC 0:2. Plötzlich sah sich die Hafenstraßen-Anhängerschaft Samstagabend einem möglichen Saisonfinale entgegen. Dass es mit dem Nervenspiel zum letzten Aufgalopp im Drittliga-Zirkus allerdings nichts wird, entschied sich schon am darauffolgenden Tag. Weil der VfB Oldenburg 1:2 gegen Zwickau verlor und somit nicht auf drei Punkte ran-rücken konnte, war der Klassenerhalt auf der Couch besiegelt.

Doch Grund zum Ausruhen? Keineswegs! „Ein Erfolgserlebnis würde uns ein gutes Gefühl für das wichtige Niederrheinpokal-Finalspiel gegen Rot-Weiß Oberhausen geben“, weiß Angreifer Isaiah Young. Der 25-Jährige buhlt um die zweite DFB-Pokalsaison mit Rot-Weiss Essen. Qualifizieren würde sich RWE nur, wenn das Endspiel am Samstag, 03. Juni (16.15 Uhr), gewonnen ginge und somit der zehnte Titeltriumph besiegelt wäre.

Mal abgesehen davon, dass man sicherlich den Fans wertvollen Kredit zurückzahlen möchte – immerhin sorgten die Rot-Weissen auf Anhieb für den zweithöchsten Zuschauerschnitt der 3. Liga -, kann das Dabrowski-Team auch in der Tabelle noch Kosmetik betreiben: Theoretisch ist es möglich, bis auf den vierzehnten Platz vorzurücken. Voraussetzung dafür wäre, dass sowohl Erzgebirge Aue bei der SpVgg Bayreuth federn lässt als auch dass Halle beim Aufstiegskandidaten Wehen Wiesbaden Punkte verliert. Dazu muss Rot-Weiss Essen dreifach punkten!

Duellcheck: Wiedergutmachungsbedarf auf beiden Seiten – Rot-Weiss Essen
Letztes Drittliga-Spiel in rot-weiss für Oguzhan Kefkir: Der Flügelspieler verlässt die Hafenstraße nach der Saison. (Foto: Heidelberg)

Der sichere Klassenerhalt ermöglicht jedenfalls auch unabhängig der Tabellenposition endlich, die Kaderplanung „noch stärker zu forcieren“, wie Profifußball-Direktor Marcus Steegmann beschreibt. Weiter planen kann der 42-Jährige mit Felix Götze, Cedric Harenbrock und Ron Berlinski, die allesamt durch den geschafften Klassenerhalt ob per Kaufverpflichtung oder automatischer Vertragsverlängerung weiter rot-weiss tragen.

Letztgenannter hat eine Verl-Vergangenheit. Mit einem wahren Torrausch in den letzten Spielen hielt Berlinski 2021/22 die Ostwestfalen im Profifußball fest. Am Samstag gibt es womöglich das Wiedersehen mit den Ex-Kollegen: Trotz Nasenbein- und Kahnbeinbruchs könnte der 28-jährige Angreifer probieren, seinen Torhunger zu stillen – zumindest absolvierte er die volle Woche im Mannschaftstraining. Coach Dabrowski konnte auf der Vorspiel-Pressekonferenz noch nicht anschließend beantworten, ob Berlinski ein Kader-Kandidat sei.

Ob Felix Bastians (absolviert nur Teile des Mannschaftstrainings) zur Verfügung steht, ist ebenfalls noch nicht klar. Definitiv ausfallen werden José-Enrique Rios Alonso (Einblutung im Sprungbeinknochen und im Außenband), Andreas Wiegel sowie Moritz Römling, Michel Niemeyer (alle Reha) und Meiko Sponsel (Bändeverletzung am Sprunggelenk).

Das Hinspiel:

Nicht unbedingt die beste rot-weisse Erinnerung des ersten Drittliga-Jahres! Da hatte Felix Bastians schon in der Schlussphase die Emotionen per herausgeholtem und anschließend verwandeltem Elfmeter zur Führung hochkochen lassen, die drei Punkte durften am Ende jedoch nicht bejubelt werden. Übeltäter aus Essener Sicht: Nicolas Sessa. Mit der finalen Spielszene bestrafte der Verler eiskalt die schlechte Zuteilung in der rot-weissen Kette – 1:1.

Duellcheck: Wiedergutmachungsbedarf auf beiden Seiten – Rot-Weiss Essen
Vermeintlicher Last-Minute-Siegtreffer in Paderborn: Felix Bastians (mi.) bejubelt sein Tor vom Punkt. (Foto: Endberg)

„Wir haben nicht konsequent genug verteidigt. Dafür wurden wir bestraft“, schimpfte Trainer Dabrowski nach der Partie. Auch Torschütze Bastians befand: „Da müssen wir viel cleverer und am zweiten Pfosten einfach am Mann sein. In einer solchen Situation darf keiner freistehen!“

Der Gegner:

Anders als für Rot-Weiss Essen, beschließt der kommende Samstag für den derzeit Tabellenzehnten SC Verl nicht nur Drittliga- sondern auch das gesamte Fußballjahr. Schon im August verabschiedeten sich die Ostwestfalen aus dem Landespokalwettbewerb (1:3 gegen Oberligist Dellbrück), sodass kein Endspiel am „Finaltag der Amateure“ ansteht.

Davon ab läuft die Verler Saison dennoch gut. Schon seit Ende April wissen sich die Mannen von der Poststraße in Sicherheit, mit einem 2:1-Sieg über Borussia Dortmund tütete man da die vierte Drittliga-Saison am Stück ein.

Duellcheck: Wiedergutmachungsbedarf auf beiden Seiten – Rot-Weiss Essen
Der SC Verl ist eins der jüngsten Drittliga-Teams: Ältester Akteur in schwarz-weiß ist Daniel Mikic (r.) mit gerade einmal 30 Lenzen. (Foto: Höft)

Vater des Erfolgs der 25.000-Einwohner-Stadt? Michel Kniat. Der 37-jährige Ex-Profi und Fußball-Lehrer trainiert Verl seit Februar 2022, gute Leistungen an der Seitenlinie sorgten für Medienberichte über das Interesse höherklassiger Klubs. Kniat jedenfalls hat Lust auf die Kulisse in Essen, mehr als 15.000 Fans meldeten sich für das letzte NRW-Duell der Drittligasaison an: „Ich habe mir in dieser Saison einige Spiele dort angeschaut. Schon als Zuschauer bekam ich bei der Stimmung Gänsehaut.“ Er verrät: „Wie schon beim Aufstieg habe ich mich jetzt auch über den Klassenverbleib von Rot-Weiss Essen gefreut.“

Trotz des früh feststehenden Drittliga-Verbleibs geht es für Verl dennoch irgendwo um etwas Wiedergutmachung: Die letzten vier Partien gingen allesamt verloren, obwohl auch zur Wahrheit gehört, dass die Ostwestfalen mit drei Top-Teams und einem Zweitliga-Absteiger kein einfaches Endprogramm hatten. „Ich hasse Niederlagen“, meint Kniat, „vor dem Tor waren wir nicht konsequent genug, die Gegentreffer fielen zu einfach.“ Der Verler rechnet mit einem offenen Schlagabtausch an der Hafenstraße: „Beide Teams können ohne Druck auftreten. Daher gehe ich nicht davon aus, dass eine der beiden Mannschaften auf Sicherheit spielen wird.“

Duellcheck: Wiedergutmachungsbedarf auf beiden Seiten – Rot-Weiss Essen
Entscheidend am Verler Erfolg beteiligt: Trainer Michél Kniat. (Foto: Endberg)

Einer, der ganz sicher seine Chance nutzen möchte, ist Nicolas Sessa. Der 27-jährige Stuttgarter Zehner erzielte sieben seiner acht Saisontore in der Rückrunde und ist damit Verl bester Torschütze. Doch auch Maximilian Wolframs Scorerwerte, zusammen 14 Tore und Assists, dürfen sich durchaus sehen lassen. Kapitän des Kniat-Teams ist Mael Corboz, zwei Kicker haben eine rot-weisse Vergangenheit: Ersatzkeeper Tim Wiesner, zwischen 2012 und 2014 an der Seumannstraße (2012-2014), wird wohl zwischen den Pfosten stehen, weil Ex-RWEler Niclas Thiede (2015 im NLZ), der nach der Saison in die Bundesliga zum VfL Bochum wechselt, verletzt ist.

Verliert Verl, ist theoretisch der Sturz auf den 13. Tabellenplatz möglich. Der Sprung auf eine höhere Position ist für den Anführer der zweiten Klassement-Hälfte nicht mehr möglich.

Vorherige Duelle:

Ein RWE-Sieg ist an der Zeit! Letztmalig durften die Essener 2016 (2:0) gegen den SC Verl jubeln. Die letzten sieben Partien endeten hingegen allesamt Remis oder mit rot-weissen Niederlagen.

Davon ab ist die unmittelbare Bilanz recht ausgeglichen: Von 38 Spielen endeten 14 Partien mit RWE-Siegen, 13-mal war der SC Verl am Ende vorne, elfmal trennten sich beide Teams Remis. Im Schnitt fielen pro Duell 2,7 Treffer.

Der Schiedsrichter:

Der 32-jährige Kemptener Tobias Schultes pfeift die Partie. Obwohl der Referee in dieser Saison schon neun Drittliga-Duelle leitete, gibt er seine RWE-Premiere.

Schultes Assistenten sind Fabian Porsch (34, Barsbüttel) und Lothar Ostheimer (39, Pfaffenhofen a.d. Ilm).

Das Wetter:

Sonne und warmes Wetter! Bei 20 Grad können es sich RWE-Fans am Samstag so richtig gutgehen lassen.

Übertragung:

MAGENTA SPORT überträgt die Partie ab 13.15 Uhr live. Mike Münkel kommentiert das Match, Moderatorin ist Kamila Benschop.

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