31. Mai 2023

Vom letzten GMS-Flutlicht-Tor und einem kuriosen Corona-Finale

Alle vergangenen RWE-Endspielsiege im Niederrheinpokal im Überblick.

Jan Neuwirt streckt den Niederrheinpokal in die Höhe
Erklärtes Ziel: Wieder feiern! Doch dafür ist zuvor ordentlich Maloche notwendig. (Foto: Endberg)

Macht die zehn voll! Rot-Weiss Essen spielt am Samstag (16.15 Uhr, Stadion an der Hafenstraße) nicht nur das Saison-, sondern gleichzeitig auch das Niederrheinpokal-Finale. Gegner der Partie ist Rot-Weiß Oberhausen. Gewinnt RWE, ist die Qualifikation für den nationalen DFB-Pokal (1. Runde vom 11. bis 14. August 2023) gesichert. Außerdem würde das Team von Chef-Trainer Christoph Dabrowski den Rekordsieger-Status im seit 1980 stattfindenden Wettbewerb ausbauen. Neunmal reckten die Mannen von der Hafenstraße schon die Trophäe nach oben. Kurios: Zwischenzeitlich feierten die Essener im vom Fußballverband Niederrhein (FVN) veranstalteten Wettbewerb schon den vermeintlich zehnten Triumph. Doch mehr dazu in unserem Überblick über die erfolgreichen Finalspiele und die darauffolgenden DFB-Pokal-Saisons.

Saison 1994/95: RWE – 1. FC Bocholt (3:1, Georg-Melches-Stadion)

Eigentlich hätten sich Rot-Weiss Essen und der 1. FC Bocholt schon zwei Jahre zuvor im Niederrheinpokal-Finale gegenüberstehen sollen. Beide Klubs qualifizierten sich 1993 jedoch über die Liga (RWE als Meister, Bocholt als Tabellenzweiter) für den DFB-Pokal. So setzte der FVN die Partie aus. Das anschließende Pokaljahr blieb schließlich für RWE nach dem Endspiel-Einzug unvergessen. Erst im Berliner Olympiastadion verlor der damalige Zweitligist 1:3 gegen Werder Bremen und wurde so zum Vize-Titelträger.

Weil die Hauptstadt-Partie zu einem der größten Meilensteine der Vereinsgeschichte wurde, war es verständlicherweise am 01. Mai 1995 erklärtes Ziel, den Niederrheinpokal-Triumph zu feiern und so wieder in den DFB-Pokal einzuziehen. Gesagt, getan: Mit dem 3:1 über den 1. FC Bocholt vor 2.700 Zuschauern im Georg-Melches-Stadion gelang die Qualifikation und gleichzeitig der erste Verbandswettbewerbs-Sieg. 

Der Titeltriumph ebnete derweil wieder den Weg für eine spektakuläre historische Achtelfinal-Erinnerung: Gegen Bayer Leverkusen, gespickt mit Fußballstars wie Rudi Völler oder Bernd Schuster, scheiterte Rot-Weiss erst 1:4 im Elfmeterschießen. Unvergessen: „Putsche“ Helmigs Treffer zum 4:4 (!) nach 76 Minuten – zwischenzeitlich führten die Leverkusener gar 2:4.

Und auch die Stimmung blieb in den Geschichtsbüchern verankert, noch heute erinnern sich Fans an das Zitat von Sportmoderator Rolf Töpperwien: „Eine Begrüßung, wie ich sie in 23 Berufsjahren, außer Mexiko City, Aztekenstadion, noch nie erlebt habe!“

Saison 2001/02: SV Straelen – RWE (2:4, Stadion an der Römerstraße)

Von rund 2.650 Zuschauern im Stadion an der Römerstraße nahe der niederländischen Grenze jubelten mehr als 2.000 Fans der Mannschaft von Rot-Weiss Essen gegen den SV Straelen zu. Das brachte scheinbar ordentlich etwas: Mit 4:2 fegte RWE den damaligen Verbandsligisten von der Finalbühne.

Die anschließende DFB-Pokalsaison endete wesentlich früher, im Erstrundenspiel unterlag die Mannschaft von Harry Pleß erneut Bayer Leverkusen 0:1.

Saison 2003/04: RWE – Fortuna Düsseldorf (2:0, Grotenburg)

Aus heutiger Sicht ein ungewohntes Machtverhältnis (zumindest nach Ligazugehörigkeit), doch zum Finalspiel am 12. Mai 2004 war Rot-Weiss Essen haushoher Favorit gegen die viertklassigen Düsseldorfer. Noch ungewohnter: In der Krefelder Grotenburg waren die rot-weissen Fans zumindest in der Anzahl unterlegen, da RWE einen wesentlich kleineren Bereich als die Fortuna zugewiesen bekam.

Auch ohne Zuschauer-Überzahl trotzte RWE jedoch den Düsseldorfern und siegte dank Treffern von Philip Kreuels (32.) und Benjamin Venekamp (67.) 2:0. Die Fortuna traf hingegen lediglich zweimal den Pfosten und verschoss einen Elfmeter.

Die anschließende DFB-Pokalsaison endete schließlich wieder in der 1. Runde, dort verloren die Essener 0:2 gegen Alemannia Aachen.

Saison 2007/08: RWE – Fortuna Düsseldorf (1:0, Wedaustadion)

Nachdem in der Nord-Regionalliga beide Partien gegen Fortuna Düsseldorf trostlos 0:0-Remis endeten, wurde auch das Pokal-Endspiel beider Mannschaften am 08. April 2008 vor 9.750 Zuschauern im Wedaustadion zu keinem großen Spektakel. Einzig Jonathan Joseph-Augustin, Abwehrspieler, der zwischen Winter und Sommer ein kurzes Dasein an der Hafenstraße fristete, wusste an diesem Tag nach 78 Zeigerumdrehungen nach einem Freistoß von Rafael Kazior in die Maschen zu treffen.

Immerhin: Das reichte für Titeltriumph und DFB-Pokal-Qualifikation. Im Erstrundenspiel scheiterten die Essener 1:3 gegen Borussia Dortmund, bei denen ein gewisser Jürgen Klopp in einem seiner ersten Pflichtspiele an der Seitenlinie stand.

Saison 2010/11: RWE – SSVg Velbert (1:0, Stadion zur Sonnenblume)

Auch dieses Bild wird hoffentlich und wahrscheinlich einzigartig bleiben: Als Fünftligist trat Rot-Weiss Essen am 26. Mai 2011 gegen den Ligakonkurrenten SSVg Velbert im Endspiel an. Vor 4.500 Zuschauern im Stadion zur Sonnenblume entschied Aufstiegskapitän Timo Brauer die Partie: Nach 70 Zeigerumdrehungen schraubte sich der heutige Geschäftsstellenmitarbeiter hoch und verwertete mit Köpfchen eine Flanke zum Führungstreffer.

Als bereits feststehender Aufsteiger schaffte RWE so das „Double“ und zog in den DFB-Pokal ein. Auch diese Partie wird ewig legendär bleiben: Gegen den heutigen Champions-League-Teilnehmer Union Berlin siegte das von Waldemar Wrobel trainierte Team 4:3 im Elfmeterschießen, Schluss war dann nach der Zweitrunden-Partie gegen die anderen Berliner: Hertha unterlag man 0:3.

Saison 2011/12: RWE – SV Hönnepel-Niedermörmter (3:2, Georg-Melches-Stadion)

Stichwort Timo Brauer: Der wurde auch im Finalspiel am 16. Mai 2012 zum Helden. Mit drei Treffern egalisierte der Kapitän zum Abschied vor seinem Wechsel zu Alemannia Aachen zwei gegnerische Führungstore – und schrieb so Geschichte.

Die Partie gegen „Hö-Ni“ war das letzte Flutlicht-Spiel im Georg-Melches-Stadion, sodass der „Bürgermeister“ der letzte RWEler war, der im künstlichen Schein des altehrwürdigen „GMS“ traf. Von großer Bedeutung bedenkt man, dass die Belichtungsanlage eine der ersten errichteten in ganz Deutschland war.

Vom letzten GMS-Flutlicht-Tor und einem kuriosen Corona-Finale – Rot-Weiss Essen
Timo Brauer (mi.) war der letzte Rot-Weisse, der in einem Pflichtspiel im Georg-Melches-Stadion unter Flutlicht traf. (Foto: Capitain / Kalbitzer)

Weitaus weniger erfreulich verlief die anschließende DFB-Pokalsaison: Simon Terodde fügte RWE in der 120. Spielminute einen schmerzhaften Gegentreffer zu, durch den Union Berlin einen 1:0-Verlängerungssieg aus dem Ruhrgebiet mitführte.

Saison 2014/15: RWE – Rot-Weiß Oberhausen (6:5 n.E., Stadion an der Hafenstraße)

Das Niederrheinpokalfinale 2015 gegen Rot-Weiß Oberhausen war Final-Premiere im Stadion an der Hafenstraße und zugleich letztes Endspiel, was nicht im Rahmen des „Finaltags der Amateure“ live in der ARD übertragen wurde. Das Duell zwischen RWE und Rot-Weiß Oberhausen war dabei nichts für Fans mit schwachen Nerven: Nachdem über 120 Minuten keine Treffer gefallen waren, musste der Sieger im Elfmeterschießen ermittelt werden.

Vom letzten GMS-Flutlicht-Tor und einem kuriosen Corona-Finale – Rot-Weiss Essen
Aus das Ding! Nachdem Keeper Niclas Heimann gegen Christoph Caspari hält, brechen in Essen alle Dämme. (Foto: Tillmann / Revierfoto)

Weil RWE mit Benjamin Baier, Kevin Freiberger, Marvin Studtrucker, Tim Treude, Sven Kreyer und Richard Weber gleich sechs Torschützen und damit einen mehr als RWO stellte, durften die Essener jubeln – 6:5 am Ende. Unter den enttäuschten Verlierern dieses Elfmeterschießens war übrigens Felix Herzenbruch. Am kommenden Samstag wird der 30-Jährige zum rot-weissen Abschied alles tun, dass er die Trophäe diesmal in den Händen halten darf – es wäre sein zweiter Triumph.

Vom letzten GMS-Flutlicht-Tor und einem kuriosen Corona-Finale – Rot-Weiss Essen
2015 feierten die Essener ihren siebten Titelgewinn. (Foto: Tillmann / Revierfoto)

Im Elfmeterschießen musste auch das anschließende DFB-Pokalspiel entschieden werden, allerdings mit schlechterem Ausgang für Rot-Weiss Essen: An der heimischen Hafenstraße unterlag das seinerzeit von Markus Reiter interimsweise trainierte Team Fortuna Düsseldorf in der Erstrundenpartie 1:3.

Saison 2015/16: RWE – Wuppertaler SV (3:0, Stadion an der Hafenstraße)

Weitaus klarer verlief die Endspiel-Partie im Folgejahr gegen den Wuppertaler SV. Der WSV war soeben frisch gebackener Viertliga-Aufsteiger und ging somit unterlegen ins von 17.000 Zuschauern besuchte Match. Moritz Fritz (33.) brachte Rot-Weiss auf die Siegerstraße, ehe er nach 87 Minuten den 3:0-Endstand herstellte. Zwischenzeitlich traf für RWE zudem Leon Binder (54.).

Vom letzten GMS-Flutlicht-Tor und einem kuriosen Corona-Finale – Rot-Weiss Essen
Dreimal gewann Marcel Platzek (mi.) mit RWE den Niederrheinpokal. Einzig Kevin Grund schaffte das öfter (viermal). (Foto: Endberg)

Auch im anschließenden DFB-Pokalspiel gegen Arminia Bielefeld musste die Entscheidung per Elfmeterschießen her: In Unterzahl erkämpfte RWE dank Treffern von Dennis Malura und Benjamin Baier ein 2:2 im Erstrundenspiel nach Verlängerung, im Stechen vom Punkt traf Rot-Weiss dann jedoch einmal weniger: 4:5, aus der Traum!

Vom letzten GMS-Flutlicht-Tor und einem kuriosen Corona-Finale – Rot-Weiss Essen
Im zweiten Jahr nacheinander nahmen Philipp Zeiger (3. v. l.) und Benjamin Baier (4. v. l.) mit RWE am DFB-Pokal teil. (Foto: Endberg)

Saison 2019/20: RWE – 1. FC Kleve (3:1, Stadion an der Hafenstraße)

An diesem Samstagmittag war alles anders: Vor der Mini-Corona-Kulisse von 300 Zuschauern (!) feierte RWE den Endspiel-Triumph über Ex-Lippens-Klub 1. FC Kleve. Simon Engelmann schnürte einen Dreierpack (38. / 56. / 82.) und machte so den zwischenzeitlichen Ausgleich des Oberligisten vergessen. Reichlich kurios: Wegen der fünf Pandemie-bedingt spielfreien Monate wurden Halbfinale (drei Tage zuvor, 2:0 gegen TVD Velbert) und Endspiel erst in der neuen Saison 2020/21 ausgetragen. So feierte Neu-Coach Christian Neidhart den Titeltriumph einer Spielzeit, in der er eigentlich gar nicht Hafenstraßen-Trainer war. Gleiches galt für Neuzugänge wie Felix Backszat, Daniel Davari oder Sandro Plechaty.

Vom letzten GMS-Flutlicht-Tor und einem kuriosen Corona-Finale – Rot-Weiss Essen
Simon Engelmann (r.) war im Spiel gegen den 1. FC Kleve unangefochtener Matchwinner. (Foto: Endberg)

Augenzwinkernd kurios: Einige Zeit wurde medial berichtet, RWE könne den zehnten Titeltriumph einfahren – das ist allerdings erst am kommenden Samstag möglich. Grund dafür wohl: eben beschriebener DFB-Pokaleinzug 1993, der RWE als Titeltriumph angerechnet, obwohl das Endspiel abgesagt wurde. Später korrigierte der Fußballverband Niederrhein (FVN) diesen Irrglauben.

Vom letzten GMS-Flutlicht-Tor und einem kuriosen Corona-Finale – Rot-Weiss Essen
Ungewohnte Atmosphäre für ein Finalspiel: Die Tribünen blieben 2020 weitestgehend leer. (Foto: Endberg)

Apropos DFB-Pokal: Wegen des straffen Zeitplans war auch der Gegner für die 1. Pokalrunde mit Bundesliga-Aufsteiger Arminia Bielefeld schon gesetzt. Augenzwinkernd (und später vielleicht doch nicht mehr so sehr) wurde „Über Bielefeld nach Berlin“ Motto des Niederrheinpokal-Sieges. Endstation der furiosen Pokalsaison war erst im Viertelfinale, dem Zweitligisten Holstein Kiel unterlag Essen 0:3. Zuvor schmiss das Neidhart-Team jedoch Größen wie Fortuna Düsseldorf und Bayer Leverkusen aus dem Wettbewerb.

Diese Partien verliefen nicht allzu erfolgreich:

Im Gegensatz zu neun gewonnen Partien gingen vier Finalspiele verloren. In diesen Jahren scheiterte die Mission Titelgewinn:

  • 2009: VfB Speldorf – RWE (3:2, Georg-Melches-Stadion)
  • 2010: SW Essen – RWE (2:1, Georg-Melches-Stadion)
  • 2017: MSV Duisburg – RWE (2:0, Stadion an der Hafenstraße)
  • 2018: Rot-Weiß Oberhausen (2:1, Stadion Niederrhein)

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