25. Dezember 2023

Jürgen Röber wird 70!

Kulttrainer gewann mit RWE den letzten nationalen Titel.

Als Spieler und Trainer ein Glücksfall für Rot-Weiss Essen: Jürgen Röber.
Als Spieler und Trainer ein Glücksfall für Rot-Weiss Essen: Jürgen Röber. (Fotos: Archiv Schrepper)

1987 wechselte Jürgen Röber noch als Trainerlehrling zu Rot-Weiss Essen. Nur fünf Jahre später gewann er dann als Chef-Coach mit RWE die Deutsche Amateurmeisterschaft, bevor er den Klub von der Hafenstraße 1993 zurück in die 2. Bundesliga führte. Am 1. Weihnachtstag, beinahe auf den Tag genau 30 Jahre nach seinem letzten Arbeitstag in Essen, feiert der rot-weisse Kulttrainer seinen 70. Geburtstag.

Ins kalte Wasser geworfen

Am Anfang der Trainerkarriere von Jürgen Röber stand der Lizenzentzug des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) im Sommer 1991. In der Frankfurter Zentrale bezweifelten die Verbandsfunktionäre damals, dass der Klub von der Hafenstraße mit Schulden in Höhe von 5 Millionen DM die Saison finanziell durchstehen könnte. Folge: Die Hälfte der Mannschaft meldete sich nach dem Zwangsabstieg aus der 2. Bundesliga ab, Trainer Werner Moors wechselte zu Preußen Münster.

Jürgen Röber, der 1987 eigentlich als Trainerlehrling bei Rot-Weiss Essen angeheuert war, dann vom damaligen Coach Lothar Buchmann wegen seiner Vorbildfunktion zur Fortsetzung der Spielerkarriere überredet werden konnte – bis 1991 kam er so noch auf 104 Spiele und 17 Tore in der 2. Bundesliga –, ließ sich in dieser Situation erneut in die Pflicht nehmen. Der damals 37-Jährige übernahm das Kommando an der Hafenstraße. Ein scheinbar aussichtsloses Unterfangen, standen dem Musterprofi drei Wochen vor dem Meisterschaftsstart gerade einmal neun Spieler zur Verfügung. Doch dank seiner Kontakte und Erfahrungen aus beinahe zwei Jahrzehnten Profifußball schaffte er es in kurzer Zeit ein schlagkräftiges Team auf die Beine zu stellen, das von Beginn an mit attraktivem Fußball überzeugte.

Amateurmeisterschaft: Einer der unvergesslichsten Erfolge

Der Sprung in die 2. Bundesliga blieb der neuformierten Mannschaft in der Saison 1991/92 noch versagt. Beim vom ersten Spieltag an währenden Zweikampf mit dem Wuppertaler SV fehlte am Ende bei Punktgleichheit ein einziges Tor, um in die Aufstiegsrunde einzuziehen. Umso feierten Fans das souveräne Auftreten im Wettbewerb um die Deutsche Amateurmeisterschaft 1992 und den Titelgewinn nach einem 3:2 Endspiel-Krimi gegen die Spvg. Bad Homburg.

Jürgen Röber wird 70! – Rot-Weiss Essen
Einer der Titel aus der rot-weissen Röber-Zeit: Die Deutsche Amateurmeisterschaft 1992.

Als Vater des Erfolges und Glücksfall für RWE stellten Zuschauer wie Fußballexperten immer wieder Jürgen Röber heraus. Die Zielsetzung für den ehrgeizigen Jungtrainer damit klar: Als nächstes musste der Aufstieg in die 2. Bundesliga folgen. Er selbst wollte außerdem möglichst bald in der Bundesliga arbeiten. Dass RWE dazu durchaus die Voraussetzung besaß, zeigte die Mannschaft am 13. September 1992 im „Spiel des Jahres“ mit dem 2:0-DFB-Pokalerfolg gegen Schalke 04. Der legendäre Treffer von Jörg Lipinski bleibt bis heute im rot-weissen Langzeitgedächtnis als besonders schlitzohrig verankert.

Doch nicht nur im Pokal lief’s: Am Ende der Saison 1992/93 hatte Jürgen Röber das Aufstiegsziel erreicht. Seit dem 7. Spieltag führte RWE die Tabelle der Oberliga Nordrhein an und sicherte so souverän vor dem 1. FC Bocholt und Alemannia Aachen die Meisterschaft.

Der Aufstieg: „Zwei Jahre auf dieses Ziel hingearbeitet!“

In den Aufstiegsspielen drehten die Spieler von Jürgen Röber noch einmal so richtig auf. Im Georg-Melches-Stadion fegte Rot-Weiss Essen Preußen Münster und den VfL Herzlake jeweils mit 4:0 vom Platz. Gegen Eintracht Trier gewann RWE 3:0. Mit 10:2 Punkten und 15:6 Toren in der Aufstiegsrunde hatte sich die Spielauffassung von Jürgen Rüber eindrucksvoll durchgesetzt.

Der RWE-Trainer zog ein zufriedenes Resümee: „Zwei Jahre haben wir auf dieses Ziel hingearbeitet, jetzt haben wir es endlich geschafft. Was wir unter den gegebenen Voraussetzungen geleistet haben, ist schon sensationell. Letztes Jahr die Deutsche Amateurmeisterschaft, dieses Jahr den Aufstieg in die 2. Liga.“

Für die Fans war Röber schon lange „bester Trainer der Welt“. Der ehemalige Bundesligaprofi galt als Vater des Erfolges, der in seinen vier Jahren als Spieler und danach als Trainer sich als echter Glücksfall für den Verein erwiesen hatte. Und beim ausgelassenen Freudenfest vor dem Georg-Melches-Stadion träumte so mancher von noch viel höheren Zielen. Schließlich wollte der rot-weisse Erfolgstrainer schon bald in der 1. Bundesliga arbeiten.

Gemeinsamer Weg endete nach Aufstieg schnell

So ging Jürgen Röber zur Saison 1993/94 zuversichtlich in sein drittes Trainerjahr bei Rot-Weiss Essen. Doch der drohende Lizenzentzug nach der Selbstanzeige beim DFB wegen eines umstrittenen Nachbesserungs-Vertrags, den der DFB als arglistige Lizenzerschleichung ansah, ließ ihn zur Winterpause als Nachfolger des gefeuerten Christoph Daum zum VfB Stuttgart wechseln.

Dem damaligen VfB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder, der offen um Essens Trainer buhlte, wurde ein reges Interesse an einer Lizenzaberkennung für RWE nachgesagt. Wie dem auch sei: Die Rot-Weiss-Fans haben Jürgen Röber den Wechsel nicht übelgenommen.

Die weitere Trainerkarriere verlief für Jürgen Röber wechselhaft. Neben dem VfB Stuttgart (bis 1995) trainierte er mit Hertha BSC Berlin (1996-2002) einen weiteren Traditionsverein. In der Hauptstadt gelang ihm 1997 der Aufstieg in die 1. Bundesliga und zwei Jahre später mit dem dritten Tabellenplatz die Qualifikation für die Champions League. Die Trainertätigkeiten beim VfB Wolfsburg (2003-2004) und bei Borussia Dortmund (2007) verliefen weniger erfolgreich.

Im Ausland betreute er den serbischen Vizemeister Partizan Belgrad (2005-2006), den russischen Erstligisten Saturn Ramenskoje (2008-2009) und den türkischen Hauptstadtverein Ankaraspor (2009). Auch hier endeten seine Engagements aus unterschiedlichen Gründen vorzeitig. Jürgen Röber erklärte 2011 seine Trainertätigkeit für beendet, kehrte im Juli 2015 allerdings als Sportdirektor zu seinem alten Club Ankaraspor zurück, der nunmehr unter dem Namen Osmanlıspor FK firmiert und in der Saison 2014/15 den Wiederaufstieg in die Süper Lig perfekt machte. Vom 1. Juli 2017 bis zum Mai 2020 war er zudem Sportdirektor beim belgischen Erstligisten Royal Excel Mouscron in der Jupiler Pro League.

Jahrhunderttrainer

Für Rot-Weiss Essen bleibt Jürgen Röber ein ganz besonderer Spieler und Trainer, den die Leser der „BILD“-Zeitung zum 100-jährigen Vereinsjubiläum 2007 zum „Trainer der Jahrhundertelf“ wählten. Der begeisternde Offensivfußball den er spielen ließ, der unbedingte Einsatz- und Erfolgswillen, den er vermittelte sowie das richtige Händchen mit den Spielern wird von den RWE-Fans bis heute geschätzt.

Ein Beitrag von Vereinshistoriker Georg Schrepper.

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