14. Mai 2024

Berlin, Berlin – wir waren in Berlin!

Werder und RWE vor 30 Jahren im DFB-Pokalfinale.

Berlin, Berlin – wir waren in Berlin! – Rot-Weiss Essen
Zwar endete die Partie im Pokalfinale 1994 1:3, der Tag bleibt dennoch in bester rot-weisser Erinnerung. (Foto: Archiv RWE)

Es war eine chaotische Saison 1993/94 mit der Abwahl eines falschen Doktors vom Posten des Vereinspräsidenten, einer Selbstanzeige beim DFB wegen eines verschwiegenen Gläubiger-Nachbesserungsvertrag, was zum Zwangsabstieg wegen „arglistiger Lizenz-Erschleichung“ führte, eine Rückrunde in der 2. Bundesliga, bei der Rot-Weiss Essen ohne Wertung spielen musste – und einem kleinen Hafenstraßen-Happy-End mit dem Erreichen des DFB-Pokalfinals 1994.

Fast 30.000 Essener Fans begleiteten ihre Mannschaft nach Berlin. Drei Mitglieder vom Fanklub „Die Unzertrennlichen“ zeigten ihre Verbundenheit auf ganz besondere Weise. Sie waren die rund 600 Kilometer lange Strecke in die Bundeshauptstadt zu Fuß gegangen und sangen bei ihrer Ankunft in die aufgestellten Fernsehkameras: „Berlin, Berlin. Jetzt sind wir in Berlin.“ Ihr Wunschergebnis formulierten sie so: „6:5 im Elfmeterschießen für uns, dann sind wir die 600 Kilometer lange Strecke nicht umsonst gelaufen sind und haben lange Fußball gesehen.“

Berlin, Berlin – wir waren in Berlin! – Rot-Weiss Essen
Eine Stadt, drei Farben: Zum Pokalfinale 1994 tauchten unzählige Fußballfans Berlin in rot-weiss-grün. (Foto: Holzapfel)

Die Berliner City war fest in Essener Hand, die sich auf das Pokalfinale freuten und feierten. An der Gedächtniskirche trafen sich Bremer und Essener und zelebrierten ihren Pokaltag: „Werder und der RWE“. Verbrüderungsszenen zwischen den Fans, Schals und Fahnen wurden getauscht, zusammen angestoßen und gesungen. Die Berliner Polizei musste den Kudamm immer wieder für die tanzenden Anhänger sperren. Am späten Nachmittag ging es dann ins Olympiastadion.

Der Spielverlauf

Rot-Weiss Essen spielte in der Startformation mit Frank Kurth, Harald Kügler, Mathias Jack, Ingo Pickenäcker, Robert Reichert, Jürgen Margref, Kristian Zedi, Adrian Spyrka, Daouda Bangoura, Jörg Lipinski, Christian Dondera.

RWE hielt zu Beginn des Pokalfinales gut mit und hatte durch einen Freistoß die erste Chance des Spiels, der aber in der Bremer Abwehrmauer hängen blieb. Anschließend verkrampften die Essener Spieler zusehends und agierten ängstlich. Es wirkte zeitweise wie ein Trainingsspiel, das der Bundesligist aufzog und dabei mühelos zur 2:0 Führung durch Beiersdorf und Herzog kam. ZDF-Reporter Dieter Kürten kommentierte: „2:0 steht es zur Halbzeit. Alles geht seinen normalen Gang.“

Wolfgang Frank brachte kurz vor der Pause Roman Geschlecht für den bereits mit einer Leistenverletzung ins Spiel gegangenen Ingo Pickenäcker und nach der Pause Oliver Grein für Robert Reichert. Zunächst schien sich am Spielverlauf nicht viel zu ändern, bis in der 50. Minute plötzlich Adrian Spyrka aus gut 25 Metern auf das Tor von Oliver Reck schoss. Sein Schuss wurde von der Bremer Abwehr abgeblockt, sprang Jürgen Margref vor die Füße, der ihn an Reck vorbeispitzelte. Daouda Bangoura erkannte die Situation am schnellsten und drückte das Leder zum Anschlusstreffer über die Linie. Von nun an spielte nur noch eine Mannschaft, der Ausgleich schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Auch der damalige Torschütze Daouda Bangoura ist am 20. Juli mit von der Partie.
Daouda Bangoura ließ kurzzeitig Hoffnung auf einen RWE-Finalerfolg aufkeimen. (Foto: Archiv RWE)

Doch das Happy End war den Bremern vorbehalten, denn der Ausgleich wollte trotz zahlreicher Großchancen nicht fallen. Die rot-weisse Aufholjagd hatte gleichzeitig viel Kraft gekostet und so lief in der 88. Minute Wynton Rufer plötzlich allein auf Frank Kurth zu, umspielte den Essener Torwart und schoss von der linken Seite des Torraumes auf das leere Gehäuse. Roman Geschlecht, der auf die Linie zurücklief, lenkte aus dem Lauf heraus den Ball mit einer sicheren Parade an die Torlatte. Den fälligen Elfmeter verwandelte Wynton Rufer zum 3:1 Endstand.

Berlin, Berlin – wir waren in Berlin! – Rot-Weiss Essen
Annette Jäger, die damalige Oberbürgermeisterin (m.), neben Torwart Frank Kurth (r.) beim Empfang am 15. Mai 1994 auf dem Kennedyplatz. (Foto: Archiv Schrepper)

Auch wenn die Sensation letztendlich ausblieb – die Herzen der Zuschauer hatte der Zweitligist im Sturm erobert. Bei der Rückkehr nach Essen gab es auf dem Kennedyplatz vor tausenden Fans einen offiziellen Empfang der Mannschaft. Frank Kurth erinnert sich: „Der Platz war voll von Menschen. Nicht auszudenken, was los gewesen wäre, hätten wir wirklich den Pott nach Essen geholt.“

Die heutige Perspektive

Ein zweiter DFB-Pokal wanderte 1994 nach der Final-Niederlage zwar nicht in den Trophäenschrank der Hafenstraße, dafür aber die Erinnerung an einen unumstrittenen Höhepunkt der Vereinsgeschichte in die Köpfe der Rot-Weiss Essen-Fans. Bis dato bleibt das Endspiel gegen Werder Bremen im prallgefüllten Olympiastadion die letzte RWE-Finalteilnahme in einem großen nationalen Wettbewerb.

Berlin, Berlin – wir waren in Berlin! – Rot-Weiss Essen
2019 trafen sich Teile der Berlin-Mannschaft für ein Jubiläumsspiel an der Hafenstraße wieder. (Foto: Endberg)

Spieler aus dem damaligen Team gehen heute noch Aktivitäten bei Rot-Weiss Essen nach. Torhüter Frank Kurth verantwortet als Projektleiter die 2. Mannschaft. Andere, etwa Jürgen Margref oder Christian Dondera, schnüren die Schuhe für die Traditionsmannschaft. Bei der  „Finalrevanche“ anlässlich des 25-jährigen Jubiläums traf die auf ein Legendenteam von Werder Bremen. Vor gut gefüllten Tribünen, auch das beweist den Stellenwert des Endspiels in der RWE-Historie, gewannen die Hanseaten 3:1.  

Ein Beitrag von Vereinshistoriker Georg Schrepper.

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