9. April 2025
RWE-Historie, Folge 7: Die Geschichte vom doppelten Meisterwimpel
Vor 70 Jahren | Wir nehmen wichtige Etappen von Rot-Weiss Essen auf dem Weg zum Deutschen Meistertitel 1955 in den Fokus – hier der allerletzte Teil.


„Jetzt kommt er an einen Platz, wo er hingehört“, kommentierte eine gerührte Teilnehmerin die „Auktion für Raritäten“ 2009 im Deutschen Sport- & Olympiamuseum in Köln. Gemeint war die „Heimkehr“ des RWE-Wimpels, den der damalige Rot-Weiss-Spielführer August Gottschalk dem Kapitän des 1. FC Kaiserslautern, Fritz Walter, vor dem Meisterschaftsfinale 1955 in Hannover überreicht hatte. Rund ein halbes Jahrhundert nach diesem geschichtsträchtigen Ereignis konnte das Pendant zum Lauterer Wimpel erfolgreich an die Hafenstraße zurückgeholt werden.
Roland Sauskat vom AWO-Fan-Projekt Essen, der im Namen des Vereins an der Versteigerung teilnahm, berichtet: „Nach der Finalniederlage gegen RWE waren die Spieler des 1. FC Kaiserslautern ziemlich sauer und fühlten sich benachteiligt. In dieser Stimmung warf Fritz Walter den RWE-Wimpel in die Ecke des Lauterer Mannschaftsbusses, wo ihn der Busfahrer auffand.“
Was war passiert?
In der 70. Minute des Final-Krimis kam es bei einem Zweikampf zwischen Penny Islacker mit Weltmeister Horst Eckel zu einer schweren Verletzung am linken Knie des Essener Stürmers. Kaum in der Lage aufzutreten, schlich der bis dahin zweifache Endspieltorschütze den Rest des Spiels über den Platz und musste immer wieder behandelt werden. Eine Auswechslung ließ das Regelwerk damals nicht zu. Dann die 85. Minute vor 80.000 Zuschauern im Niedersachsenstadion: Helmut Rahn hatte wieder einen Angriff gegen Kaiserslautern eingeleitet, sein Schuss prallte an Werner Kohlmeyer ab, Berni Termath erwischte den Ball, setzte sich auf der rechten Seite gegen den Nationalverteidiger durch und flankte vor das Tor. Mannschaftskollege Helmut Rahn beschrieb die nun folgende Szene später so: „Wie ein fliegender Fisch flitzte Islacker durch die Luft und beförderte den Ball mit dem Kopf über die Linie.“ Kaiserslautern reklamierte zwar Abseits, doch Schiedsrichter und Linienrichter erkannten beide sofort das Tor an.
Der Lauterer Frust über die dritten Endspielniederlage (1948: 1:2 gegen 1. FC Nürnberg; 1954: 1:5 gegen Hannover 96) im fünften Finalspiel (Deutscher Meister 1950: 2:1 gegen Preußen Münster und 1953: 4:1 gegen VfB Stuttgart) war so groß, dass sie den Essener Wimpel vergaßen. Beim nächsten Auswärtsspiel fragte der Busfahrer Fritz Walter, was damit geschehen sollte. „Den könne ‘se sich nehme‘, den wolle ma nich me seh‘n“, war die spontane Antwort enttäuschten Kaiserslauterer Kapitäns. Und so schmückte der Endspielwimpel über ein halbes Jahrhundert lang eine Kellerbar. Nach dem Tod des Busfahrers gab dessen Familie den Wimpel für die Sport-Auktion frei. Mit einer Vollmacht der Sparkasse Essen ausgestattet, gelang es im Bieterverfahren unter der maximal zugesagten Summe von 3.000 Euro zu bleiben und ihn zurück an die Hafenstraße zu holen.
Rot-Weiss Essen ist dadurch der einzige Verein, der die Endspielwimpel beider Finalteilnehmer besitzt. Als Leihgabe hängen sie nebeneinander im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Dort befinden sich seit der Eröffnung 2015 wichtige Exponate aus der rot-weissen Vereinsgeschichte. In einem Leihvertrag wurde festgehalten, dass über 20 ausgesuchte Exponate der rot-weissen Vereinsgeschichte, wie die beiden Wimpel und der Endspielball, bis zum Ende des Jahres 2024 hier verbleiben können.
Ein Beitrag unseres Vereinshistorikers Georg Schrepper.