7. Oktober 2021
„An richtigen Stellschrauben gedreht“
Sportdirektor Jörn Nowak im ausführlichen Interview.


Seit 2019 in rot-weiss: Nowak wechselte damals von RWO an die Hafenstraße. (Foto: Endberg)
Seit Ende Mai 2019 arbeitet Jörn Nowak (35) als Sportdirektor für Rot-Weiss Essen. Kürzlich hat der frühere Abwehrspieler (Rot-Weiß Erfurt, Chemnitzer FC, Sportfreunde Siegen und Rot-Weiß Oberhausen) seinen Vertrag an der Hafenstraße vorzeitig um drei weitere Jahre bis zum 30. Juni 2025 verlängert. In dieser Zeit soll es weiter aufwärts gehen. Im ausführlichen Interview spricht Nowak über die Pläne in den kommenden Jahren.
Hallo Jörn! Vor wenigen Tagen hast Du Deinen Vertrag bis 2025 verlängert. Wie leicht oder wie schwer ist Dir die Entscheidung gefallen?
Jörn Nowak: Dass der gemeinsame Weg weitergeht, stand für mich wegen der ausgezeichneten Zusammenarbeit eigentlich schon lange fest. Dass der Verein schon jetzt auf mich zugekommen ist und wir uns auf eine frühzeitige Vertragsverlängerung verständigen konnten, freut mich sehr. Wir alle wissen, dass wir noch nicht am Ende unseres Weges angekommen sind. Wir wollen auch die nächsten Schritte gemeinsam machen.
Wolltest Du längerfristig Planungssicherheit oder ging das vom Verein aus?
Jörn Nowak: Ich würde sagen, das war beidseitig. Wir hatten uns vor meinem Amtsantritt auf einen Drei-Jahres-Vertrag bis zum 30. Juni 2022 geeinigt. Da ich als Sportdirektor schon jetzt in zahlreiche Prozesse eingebunden bin, die teilweise deutlich über die laufende Saison hinausgehen, war es der richtige Zeitpunkt, jetzt weitere Weichen zu stellen. Es erschien allen Beteiligten sinnvoll, erneut einen Zeitraum über drei Jahre zu wählen.
Wo möchtest Du Rot-Weiss Essen im Jahr 2025 sehen?
Jörn Nowak: Mein persönlicher Wunsch wäre, dass der Verein bis dahin in der 2. Bundesliga angekommen ist. Mindestens aber wollen wir ein gefestigter Drittligist sein. Die schwierigste Aufgabe auf diesem Weg ist jedoch – das wissen wir inzwischen nur zu gut – der Schritt aus der Regionalliga in die 3. Liga. Wir arbeiten intensiv daran, dass er in dieser Saison gelingt.
Welche inhaltlichen Pläne und Wünsche stehen bei Dir für die nächsten vier Jahre – neben dem sportlichen Erfolg – ganz weit oben auf der Liste?
Jörn Nowak: Wir wollen unsere Infrastruktur weiterentwickeln, für eine größere Nachhaltigkeit sorgen und wirtschaftlich weiter solide aufgestellt sein. Dazu gehören einige bereits angedachte Projekte wie der Umbau des Trainingsgeländes, der Um- und Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums, aber auch kleinere bauliche Veränderungen, beispielsweise in Bezug auf den Kraftraum. Es ist unser Ziel, ein noch besseres Sprungbrett für junge Talente zu werden und vor allem mehr Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in die erste Mannschaft zu integrieren.


Wird es auch mit Trainer Christian Neidhart bald Gespräche über eine Vertragsverlängerung geben? Oder macht eine weitere Zusammenarbeit nur für den Fall des Aufstiegs Sinn?
Jörn Nowak: Wir sind ständig im Austausch, haben beide auch zu unserem Vorstandsvorsitzenden Marcus Uhlig einen engen Draht und sind zusammen ein eingespieltes Team. Wir haben uns in den letzten 14, 15 Monaten kennen und schätzen gelernt. Von daher werden wir uns sicherlich auch zeitnah mit diesem Thema beschäftigen. Entscheidend ist dabei nicht zuerst die Liga, sondern die volle Überzeugung, dass Christian der richtige Trainer für Rot-Weiss Essen ist.
22 Zähler aus neun Begegnungen stehen bislang zu Buche. Wie zufrieden bist Du mit dem Saisonstart?
Jörn Nowak: Die Punktausbeute ist sehr gut. Phänomenal war aus meiner Sicht vor allem die Reaktion der Mannschaft auf die sicherlich nicht eingeplante 1:4-Heimniederlage gegen den SV Straelen im ersten Heimspiel vor Zuschauern nach mehr als einem Jahr. Danach hatten wir schon eine große Drucksituation, mit der das Team in den Duellen mit direkten Konkurrenten wie dem Wuppertaler SV und Fortuna Köln sehr gut zurechtgekommen ist und die Partien trotz der knappen Ergebnisse dominiert hat. Dadurch haben wir Sicherheit und zusätzliches Selbstvertrauen gewonnen, das die emotionale Aufholjagd nach der schwachen ersten Halbzeit in Münster ermöglicht hat. Die aktuelle Serie von inzwischen sechs Siegen spricht für das Team.
Wird es bis zum Saisonende ein enges Rennen um die Meisterschaft geben?
Jörn Nowak: Die Spitzengruppe ist definitiv breiter geworden, mehr Vereine haben sich den Aufstieg in die 3. Liga zum Ziel gesetzt. Von daher ist die Konkurrenz größer geworden. Dennoch bin ich überzeugt, dass unsere gefestigte und noch besser eingespielte Mannschaft auch auf Strecke die Leistungen aus der letzten Saison bestätigen kann. Wenn uns das gelingt, dann haben wir auch gute Chancen, unser Ziel zu erreichen.
Gab es aus Deiner Sicht besonders positive oder negative Überraschungen?
Jörn Nowak: Die stabilen Leistungen, die José-Enrique Rios Alonso ab dem 3. Spieltag in der Innenverteidigung gezeigt hat, waren in dieser Form sicher nicht zu erwarten. Er hat seine Chance bekommen und konsequent genutzt. So soll es sein. Sehr schade ist die Situation von Michel Niemeyer, der als Stammspieler eingeplant war, verletzungsbedingt aber noch gar nicht am Trainings- und Spielbetrieb bei uns teilnehmen konnte. Wir alle hoffen, dass die kürzlich durchgeführte Knie-Operation die gewünschte Wirkung zeigt und Michel zumindest ab Januar wieder in das Training einsteigen kann.
Rios Alonso und Niemeyer hast Du schon angesprochen. Sie sind zwei von insgesamt 13 neuen Spielern im Kader. Haben die Zugänge Eure Erwartungen bislang erfüllt?
Jörn Nowak: Zunächst einmal ist die Erwartungshaltung bei jedem einzelnen Spieler anders. Der eine wird als Stammspieler geholt, der andere soll sich in der zweiten Reihe entwickeln. Deshalb darf nicht jeder Zugang nur an seiner Einsatzzeit gemessen werden. Yannick Langesberg, der vom SC Verl zu uns gekommen war, spielt beispielsweise nur deshalb nicht, weil José-Enrique Rios Alonso auf seiner Position überzeugt und aktuell im Konkurrenzkampf die Nase vorne hat. Dennoch sind wir von Yannick weiterhin fest überzeugt und sicher, dass er für uns noch ein wichtiger Spieler sein wird. Ich könnte noch weitere Beispiele nennen. Grundsätzlich kann ich feststellen, dass eine sehr gute Stimmung im Team herrscht und dass auch die Jungs aus der zweiten Reihe nicht ihre Unzufriedenheit zeigen, sondern alles dafür tun, um ihre Kollegen zu unterstützen.
Noch nicht neu besetzt wurde bislang die „Planstelle“ im defensiven Mittelfeld, nachdem Sören Eismann nach nur wenigen Wochen in Essen überraschend zum TSV Steinbach Haiger zurückgekehrt war. Wie ist der Stand der Dinge bei der Suche nach einem zusätzlichen „Sechser“?
Jörn Nowak: Für den Fall, dass akuter Handlungsbedarf – beispielsweise durch verletzungsbedingte Ausfälle – entstehen sollte, sind wir vorbereitet. Wir stehen mit einigen vertragslosen Spielern in Kontakt. Es kann aber auch sein, dass wir bis zum Winter warten und dann vielleicht schon einen Transfer als Vorgriff auf die nächste Saison ins Auge fassen. Wir haben schließlich neben Dennis Grote und Luca Dürholtz noch einige Spieler im Kader, die auf dieser Position eingesetzt werden können. Dazu gehört auch David Sauerland, der nach langer Verletzungspause zuletzt in Lippstadt erstmals wieder im Aufgebot stand.
Als Sportdirektor musst Du auch schwierige Entscheidungen treffen. Welches Gespräch ist Dir besonders schwergefallen?
Jörn Nowak: Grundsätzlich ist es nie angenehm, einem Spieler mitzuteilen, dass es bei RWE für ihn nicht weitergeht. Das gilt natürlich erst recht, wenn es Jungs sind, die sich über viele Jahre für den Verein verdient gemacht haben – wie etwa zuletzt Marcel Platzek und Kevin Grund, wobei die Sachlage bei beiden unterschiedlich war, denn bei Kevin hätte es ja von unserer Seite aus durchaus noch eine weitere Zusammenarbeit geben können. Es ist aber bei beiden sehr deutlich geworden, wieviel ihnen der Verein und die Zeit bei RWE bedeuten. Wenn eine solche Phase dann zu Ende geht, nimmt einen das schon mit.
Über welche Fortschritte hast Du Dich während Deiner bisherigen Amtszeit von gut 28 Monaten am meisten gefreut?
Jörn Nowak: Ich darf sagen, dass wir schon in einigen Bereichen vorangekommen sind. Meine Kernaufgabe ist zunächst der sportliche Erfolg der ersten Mannschaft. Da sind wir definitiv von der Stelle gekommen, auch wenn wir den Aufstieg in der letzten Saison noch knapp verpasst hatten. Wir konnten uns jedoch – im Gegensatz zu früheren Jahren – fest in der Spitzengruppe etablieren und haben in dieser Spielzeit gute Chancen, erneut bis zum Ende um die Meisterschaft zu kämpfen. Wichtige Veränderungen haben wir auch im NLZ vorgenommen und eine einheitliche Philosophie entwickelt, die den einzelnen Spieler und dessen Ausbildung in den Mittelpunkt rückt. Auch da sind wir auf einem guten Weg und haben aus meiner Sicht an den richtigen Stellschrauben gedreht. Hinzu kommt ein gutes Arbeitsklima auf allen Ebenen, das ebenfalls sehr angenehm ist.


Zum NLZ: Die U19 und die U17 sind in den Junioren-Bundesligen gut aus den Startlöchern gekommen. Wie bewertest Du das bisherige Abschneiden?
Jörn Nowak: Wir sind definitiv konkurrenzfähig, durchaus auch im Vergleich mit größeren Klubs. Da macht sich auch die gute Arbeit des Führungsteams an der Seumannstraße mit Christian Flüthmann, Dirk „Putsche“ Helmig und Wilfried Tönneßen bemerkbar. Die Nachwuchsspieler werden sehr gut betreut und ausgebildet. Es bleibt aber noch genügend Spielraum, um uns weiter zu verbessern.
Vor allem das Team von U19-Trainer Vincent Wagner hat im NRW-Ligapokal und zum Saisonstart eine Siegesserie hingelegt. Überrascht?
Jörn Nowak: Gar nicht. Ich wusste, dass wir eine richtig gute Truppe zusammen haben – und dazu ein Trainerteam um Vincent Wagner, das den Verein lebt und sehr viel Zeit und Herzblut investiert, um die Spieler besser zu machen. Ein Lob an dieser Stelle auch an unseren U17-Trainer Simon Hohenberg, der mit einem Großteil dieser Jungs während der Corona-Pandemie trotz der fehlenden Wettkampfpraxis sehr gut gearbeitet hat. Das zahlt sich jetzt ebenfalls aus. Grundsätzlich bin ich ohnehin der Meinung, dass wir als Rot-Weiss Essen auch im Nachwuchsbereich das Underdog- oder Fahrstuhlmannschaft-Image ablegen und wesentlich selbstbewusster auftreten sollten. Die U19 ist ein gutes Beispiel dafür.
Stehen die Chancen gut, bald wieder Spieler aus dem eigenen Nachwuchs regelmäßig im Regionalliga-Team zu sehen?
Jörn Nowak: Wir haben schon jetzt einige vielversprechende Talente im Verein, denen wir einiges zutrauen. Die Tür steht für jeden Spieler offen, hindurchgehen müssen sie allerdings alleine. Klar ist, dass selbst der Sprung aus der A-Junioren-Bundesliga in unsere erste Mannschaft sehr groß ist. Da kann es sein, dass man auch mal einen „Umweg“ nehmen muss. Aber es ist selbstverständlich unser Ziel, möglichst viele Talente zu fördern und sie an den Profifußball heranzuführen.
Über Jörn Nowak
Geburtsdatum: 25.04.1986
Nationalität: deutsch
Im Verein seit: 24.05.2019
Größe: 183cm
Bisherige Vereine…
…als Sportdirektor: Rot-Weiß Oberhausen
…als aktiver Spieler: Rot-Weiß Oberhausen, Sportfreunde Siegen, Chemnitzer FC, Rot-Weiß Erfurt