27. Oktober 2021

Rot-Weisse Tore für die Ewigkeit

Traumbuden: Von Penny Islacker, Kopfballungeheuer Horst Hrubesch bis Kevin Grund.

Rot-Weisse Tore für die Ewigkeit




Jörg Lipinski erläuft den Abpraller von Jens Lehmann und sorgt so für einen unvergesslichen RWE-Moment. (Foto: Archiv)

Fußball ist ein Ergebnissport und die Formel zum Erfolg ist ganz einfach: Das Runde muss ins Eckige. Und das ist zahlreichen RWE-Spielern auf zum Teil spektakuläre Weise geglückt. So mancher Treffer hat sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt.

Mit einem Flugkopfball zur Deutschen Meisterschaft

Der erfolgreichste Torschütze zu Zeiten der Oberliga West war Ausnahmestürmer Franz „Penny“ Islacker. Im Meisterschaftsfinale von Hannover gelangen ihm beim 4:3-Sieg gegen den 1. FC Kaiserslautern gleich drei Tore. Spektakulär das Siegtor mit dem Kopf, das der am linken Knie verletzte Islacker mit einem Hechtsprung ins Lauterer Tor beförderte.

In der 70. Minute des Final-Krimis hatte Penny Islacker sich bei einem Zweikampf mit Horst Eckel eine Meniskusverletzung zugezogen. Eine Auswechslung ließ das Regelwerk damals nicht zu. So schlich er den Rest des Spiels über den Platz und musste immer wieder behandelt werden. Dann die 85. Minute vor 80.000 Zuschauern im Niedersachsenstadion. Penny Islacker, gerade erst wieder zurück auf dem Feld, humpelte durch den Lauterer Strafraum und sah Berni Termaths Flanke auf sich zukommen. Doch wie die Lederkugel annehmen, wenn das Knie so höllisch schmerzt? Mannschaftskollege Helmut Rahn beschrieb die nun folgende Szene später so: „Wie ein fliegender Fisch flitzte Islacker durch die Luft und beförderte den Ball mit dem Kopf über die Linie.“ Zum 4:3! Zur Meisterschaft!

Torschützenrekorde seit mehr als 40 Jahren

Spektakuläre Tore gelangen in ihrer Zeit bei Rot-Weiss Essen auch Frank Mill und Horst Hrubesch, der sogar den liebevoll gemeinten Spitznamen „Kopfballungeheuer“ bekam. In der Saison 1977/78 stellte er mit 41 Toren in 35 Spielen plus einem weiteren Treffer in den beiden Aufstiegsspielen, also insgesamt 42 Saisontreffern einen bis heute unerreichten Zweitligarekord auf. Nur einen Treffer weniger erzielte das rot-weisse Eigengewächs Frank Mill drei Jahre später in der Saison 1980/81. Er schoss er in 38 Ligaspielen 40 Tore und war in zwei DFB-Pokalspielen ein weiteres Mal erfolgreich, kam also auf insgesamt 41 Tore.

Rot-Weisse Tore des Monats

Auch wenn der RWE nur in der 3. oder sogar 5. Liga spielte, gewannen Spieler von der Hafenstraße mehrfach die Sportschauwahl zum „Tor des Monats“. Den Anfang machte am 11.07.1976 im A-Jugend-Halbfinalspiel um die Deutsche Meisterschaft zwischen RW Essen – VfB Stuttgart Burkhard Steiner in der 51. Minute mit seinem Treffer zum 2:2 (Endstand 4:3).

Laut der ARD-Sportschau-Homepage ist er „der erste A-Jugendliche, der sich mit der Tor des Monats-Medaille schmücken durfte und zugleich der Erfinder des Standrückziehers. Mit dem Rücken zum Tor jonglierte Burkhard Steiner den Ball einmal und schoss – „da irgendwo müsste das Tor ja stehen“ – in die vermutete Richtung. Sein Heber senkte sich unhaltbar in die Maschen“, heißt es dazu auf der Sportschauseite.

Ihm folgte fast 20 Jahre später Wolfram Klein. Der Essener Stürmer erzielte am 17.4.1995 in der 15. Minute das 1:0 gegen den Bonner SC mit einem Fallrückzieher von der Strafraumgrenze, der über dem Gästetorwart direkt unter der Latte einschlug (Endstand 4:3). Wenige Monate später reihte sich in der neuen Saison 1995/96 Jörg Beyer in die Reihe der „Fallrückzieherspezialisten von der Hafenstraße“ (ARD-Sportschau) ein. Sein spektakulärer Treffer ins kurze Torwarteck am 8.10.1995 im Spiel „RW Essen – FC Gütersloh“ bedeutete in der 27. Minute den zwischenzeitigen 1:1-Ausgleich gegen den Meisterschaftskandidaten FC Gütersloh (Endstand 3:6). Beide Teams stiegen am Ende der Saison gemeinsam in die 2. Bundesliga auf.

 Alexander Thamm (RW Essen) vervollständigte die rot-weisse Tor-des-Monats-Bilanz mit einer Mischung aus Rück- und Seitfallzieher ins lange Eck am 13.8.2010, dem ersten Spieltag der NRW-Liga 2010/11 (5. Liga). Der 1:0-Siegtreffer im Auftaktspiel in der 89. Minute gegen den VfB Homberg war ein exzellenter Auftakt für die erfolgreiche RWE-Mission Wiederaufstieg nach der Insolvenz.

Fünf Genießersekunden vor dem 2:0

„2:0 – ich war dabei“, dieser Slogan erinnerte noch lange Zeit an eines der berühmtesten Tore in der DFB-Pokalgeschichte. Rot-Weiss Essen führte seit der 26. Minute mit 1:0. In der 88. Minute machte Jörg Lipinski dann alles klar. Schalke hatte in einem letzten verzweifelten Anrennen die Abwehr aufgelöst und auch Torhüter Jens Lehmann war weit aufgerückt. Einen Eckball klärte Essens Hintermannschaft mit einem weiten Abwehrschlag.

Schalkes Torwart versuchte den Ball in Höhe der Mittellinie zu stoppen, doch das Leder sprang ihm dabei zu weit weg. Jörg Lipinski erkannte die Situation, erlief sich den Ball und zog alleine auf das Schalker Tor zu. Kurz vor der Torlinie stoppte er, wartete scheinbar ewig lange fünf Sekunden und schob dann das Leder zum 2:0- Sieg ein. Sein Kommentar: „Der Trainer hat gesagt, wir sollen auf Zeit spielen, wenn wir 1:0 führen und ich war mir in der Situation so sicher, da konnte ich auf Zeit spielen.“ Der damalige Schatzmeister Wolfgang Arnold ergänzte augenzwinkernd: „Jörg hat in Ruhe die Prämie runtergezählt: 1000,-DM, 2000,- DM …“

„TV Total“

Eines der kuriosesten Tore in der RWE-Geschichte gelang Macchambes Younga-Mouhani in einem Regionalligaspiel (3. Liga) der Saison 2005/06. Younga wartete hinter dem Torwart des Chemnitzer FC dessen Abschlagversuch ab, stibitzte ihm das vor die Füße in Richtung Strafraumgrenze gelegte Leder und schoss es direkt in das leere Tor. Der Treffer wurde von der ARD zum Tor der Woche gekürt und schaffte es damit ebenfalls in die Auswahl zum Tor des Monats. Mit einem Auftritt in Stefans Raab Show „TV total“ kam Younga-Mouhani mit seinem kuriosen Tor sogar zu bundesweitem Ruhm.

Irres Verwirr-Tor ist YouTube-Schlager

Ein rot-weisses Tor sorgt seit Jahren im Internet für Furore mit ständig steigenden Mit einem Flugkopfball zur Klickzahlen – der Freistoß-Treffer von Kevin Grund am 1. September 2012 zum 2:0 gegen Fortuna Düsseldorf II. Die sonntägliche WDR-Sportsendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ veröffentlichte den Treffer im September 2013 auf ihrem Youtube-Kanal. Seitdem drücken die User in deutscher, englischer und spanischer Sprache ihre internationale Bewunderung für den Treffer aus, der mittlerweile über 15 Millionen Mal angeschaut wurde.

Was war geschehen? Sechs RWE-Spieler standen nach einem Foul an der Düsseldorfer Strafraumgrenze rund um den Ball und diskutierten, wie sie die nachfolgende Situation wohl lösen könnten. Vier Spieler stellten sich dann in einer Linie auf, jeweils zwei rechts und zwei links neben den Ball. Aus der hinteren Reihe nahmen zunächst von links Markus Heppke und von rechts Kerim Avici Anlauf. Beide brachen ihre Aktion wegen des möglichen Zusammenpralls kurz vor dem noch ruhenden Ball ab. Die Düsseldorfer Mauer war verwirrt und schien in Auflösungserscheinungen begriffen, als aus der ersten Reihe von ganz rechts Kevin Grund startete und mit seinem linken Fuß den Ball über die indisponierte Düsseldorfer Mauer zum 2:0 ins Netz bugsierte.

 Diese Auflistung ist sicherlich unvollständig und die Zusammenstellung der rot-weissen Tore der vergangenen Saison zeigte, dass sich die RWE-Fans auf weitere Tore für die Ewigkeit freuen dürfen. Mit Dennis Grote und Kevin Grund waren erneut zwei Spieler zur Sportschau-Auswahl

Ein Beitrag unseres ehrenamtlichen Vereinshistorikers Georg Schrepper.