4. Dezember 2021

„Lege Extra-Einheiten ein“

Erolind Krasniqi über seinen Antrieb, das große Ziel und die Zeit bei der Nationalmannschaft.

Erolind Krasniqi lacht in die Kamera.
Krasniqi: „Mir wurde klar: Um meinen Traum vom Profifußball weiter leben zu können, muss ich viel mehr investieren.“ (Fotos: Endberg).

Helmut Rahn und Franz „Penny“ Islacker (Deutschland), Willi „Ente“ Lippens (Niederlande) oder Radoslaw Kaluzny (Polen): Die Liste von ehemaligen Profis, die bei Rot-Weiss Essen sogar A-Nationalspieler waren, ließe sich noch um einige Namen erweitern. Mit Erolind Krasniqi gibt es seit kurzem einen Spieler, der zum aktuellen Aufgebot des U21-Nationalteams des Kosovo zählt. Gleich im ersten Pflichtspiel für das Heimatland seiner Familie war der Offensivspieler als Torschütze erfolgreich. Im Interview spricht Krasniqi über seine Länderspielreise und seinen zweiten Anlauf bei RWE.

RWE: Erolind! Hinter Dir liegen intensive Tage. Hast du schon wieder etwas Zeit gefunden, um durchzuatmen?
Erolind Krasniqi: Es ging wirklich Schlag auf Schlag. Schon am Sonntag nach dem 2:1 bei Borussia Mönchengladbach bin ich zur Nationalmannschaft gereist. Insgesamt war ich neun, zehn Tage im Kosovo. Ich habe die Zeit dennoch sehr genossen, das war eine sehr schöne Erfahrung.

Gleich in deinem ersten Pflichtspiel für die U21 des Kosovo hast Du einen Treffer erzielt. Was war das für ein Gefühl?
Krasniqi: Das ist nicht in Worte zu fassen. Egal, ob Großeltern, Tanten oder Cousins: Meine ganze Familie war im Stadion. Unser Siegtor in der Nachspielzeit zum 2:1 gegen Albanien fand ich sogar noch etwas schöner als meinen eigenen Treffer zum Ausgleich. In den Zweikämpfen ging es – wie bei einem Derby typisch – heiß her. Insgesamt war das Miteinander aber dennoch brüderlich. Es wurde viel gelacht.

Wie hattest Du von Deiner Nominierung erfahren?
Krasniqi: Nationaltrainer Michael Nees hatte mir geschrieben, dass ich mich doch telefonisch bei ihm melden soll. Ich war sofort aus dem Häuschen. Danach habe ich direkt meine Eltern angerufen und auch mit dem Verein das Gespräch gesucht. Ich bin Christian Neidhart und Jörn Nowak sehr dankbar, dass sie mich sofort für die Länderspielreise unterstützt haben. Das war nicht selbstverständlich, denn unsere personelle Situation ist ja aktuell auch nicht so einfach. Ich hatte nicht damit gerechnet, nominiert zu werden. Umso mehr hatte ich gefreut.

Kanntest Du vorher schon einige Deiner Mitspieler beim U 21-Nationalteam?
Krasniqi: Mit Valon Zumberi hatte ich gemeinsam im Nachwuchs des Hamburger SV gespielt, leider fiel er verletzungsbedingt kurzfristig aus. Gentrit Limani kam in dem Sommer zum HSV, in dem ich den Verein verlassen hatte. Insgesamt stehen drei weitere Spieler unseres U21-Kaders bei einem Verein aus Deutschland unter Vertrag. Vier Jungs sind in der Schweiz aktiv. Man hat schnell Anschluss gefunden. Der Umgang mit dem ganzen Nationalteam war sehr familiär.

Geboren wurdest Du in Lübeck. Wie stark ist die Verbindung in den Kosovo?
Krasniqi: Viele Familienmitglieder leben in Lübeck, Hamburg oder auch Siegen. Im Kosovo war ich vorher schon eine Weile nicht mehr. Meistens passte es zeitlich nicht. Oft war ich mitten in der Saisonvorbereitung, wenn es bei meiner Verwandtschaft mit einem Treffen geklappt hätte. So kommen wir meistens zu Weihnachten in Hamburg zusammen. Wobei das zuletzt wegen der Corona-Pandemie auch nicht wie gewohnt möglich war.

Für RWE warst Du in dieser Saison auch schon fünfmal als Torschütze erfolgreich. Warum läuft es aktuell für dich so gut?
Krasniqi: Da kommen mehrere Faktoren zusammen. Ich spüre das Vertrauen von Trainer Christian Neidhart, das macht einige Aktionen auf dem Platz etwas einfacher. Ein Selbstläufer ist das aber nicht, da steckt harte Arbeit dahinter. Ich lege auch einige Extra-Einheiten ein. Und dann sind da natürlich noch meine Mannschaftskollegen, die mich gut in Szene setzen. Der Zusammenhalt zeichnet unser Team aus.

"Lege Extra-Einheiten ein" – Rot-Weiss Essen
Einfach mal durchladen! Gegen Fortuna Düsseldorf traf Krasniqi per Distanzschuss.

Du warst zwischenzeitlich an den BFC Dynamo verliehen. Deine Zeit in der Regionalliga Nordost hattest du dir vermutlich anders vorgestellt, oder?
Krasniqi: Ich hatte mir selbstverständlich mehr Einsatzzeiten erhofft. Nachdem ich in sieben Ligaspielen zum Einsatz kam, wurde der Spielbetrieb in der Regionalliga Nordost wegen der Corona-Pandemie zunächst im November unterbrochen und dann sogar beendet. Das hat mich als Mensch reifen lassen. Zwei, drei Monate vor meiner Rückkehr zu RWE hat es bei mir Klick gemacht. Mir wurde klar: Um meinen Traum vom Profifußball weiter leben zu können, muss ich viel mehr investieren. Das zahlt sich aktuell aus.

Wie würdest Du selbst Deine Spielweise beschreiben?
Krasniqi: Ich bin ein kreativer Spieler, der auch Zug zum Tor hat. Meine Ballsicherheit und meine Technik sind meine Stärken. Diese Qualitäten will ich weiter ausbauen. Genauso arbeite ich aber auch an meinen Schwächen. Beim Anlaufverhalten, dem Umschaltspiel und bei der Zweikampfführung habe ich noch Luft nach oben.

"Lege Extra-Einheiten ein" – Rot-Weiss Essen
Lösungen auf engen Räumen: Eine Spezialität des Junioren-Nationalspielers.

Was hast Du Dir für diese Saison noch vorgenommen?
Krasniqi: Ich bin nicht der Typ Spieler, der sich eine bestimmte Zahl an Toren oder Vorlagen als Ziel setzt. Ich denke nicht an das, was morgen sein kann, sondern konzentriere mich auf den Moment. Ich will jede Woche bestmöglich nutzen. Wenn mir das gelingt, helfe ich damit der Mannschaft. Und so ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass wir unser großes Ziel Aufstieg erreichen.

Über Erolind Krasniqi

Geburtsdatum: 15. März 2000
Nationalität: kosovarisch
Im Verein seit: 2019 / 2021 (Rückkehr aus Berlin)
Größe: 1,80 Meter
Bisherige Vereine: BFC Dynamo Berlin, HSV Jugend