27. Dezember 2022

Jahresrückblick: Endlich geschafft!

Zwischen Mai-Depression und Gefühlsexplosion liegen Mitte des Jahres nur neun Tage.

Der dritte Teil des Jahresrückblicks dreht sich um den rot-weissen Aufstieg
Es ist vollbracht! Rot-Weiss Essen steigt in die 3. Liga auf. (Foto: Heidelberg)

Wäre vor zig Jahren jemand auf die Idee gekommen, den Drittliga-Aufstieg von Rot-Weiss Essen zu verfilmen, hätte derjenige wohl kaum ein spannenderes Finale schreiben können, als es sich in Wirklichkeit abgespielt hat. Zwischen Negativ-Emotionen und einem Freuden-Feuerwerk lagen 2022 nur neun Tage. Hier kommt der Jahresrückblick mit den Monaten Mai und Juni.

Wenn eine Mannschaft trotz eines Sieges mit hängenden Köpfen den Platz verlässt, dann kann etwas nicht in Ordnung sein. Der rot-weisse Motor war beim 3:1-Heimsieg gegen den 1. FC Wegberg-Beeck Ende April unlängst wieder geölt: drei Dreier in Folge! Doch jedem ist klar: Gewinnt Preußen Münster die finalen Spiele, bringen alle Erfolge, auch dieser Heutige gegen Wegberg nichts. Verdammt!

Und so zog sich für Fans, Mannschaft, Staff und Verantwortliche ein eigenartiges Gefühl durch die ersten Maitage. Während der ärgste Aufstiegskonkurrent mit zwei Zählern Vorsprung noch den SC Wiedenbrück und die Köln-Reserve vor der Nase hatte, galt es für RWE, Rödinghausen und RW Ahlen zu schlagen.

Doch auf der To-Do-Liste stand dieser Tage auch das Niederrheinpokal-Finale zu erreichen. Rückblickend fühlt sich dieses Vorhaben gegen den Wuppertaler SV wie ein letzter Wendepunkt der vollkommen verrückten Saison an: Am Zoo zeigt das RWE-Team nur wenig Gegenwehr und unterliegt 1:3. Kurz darauf kommt es zum lauten Paukenschlag kurz vor dem Schlussakkord!

Jahresrückblick: Endlich geschafft! – Rot-Weiss Essen
Elf Tage vor dem Saisonfinale ist die Stimmung einmal mehr am Tiefpunkt: RWE fliegt gegen den WSV krachend aus dem Pokal. (Foto: Endberg)

Rund 40 Stunden nach Abpfiff der Partie gibt RWE bekannt: „Nach intensiver Analyse der aktuellen sportlichen Situation hat sich Rot-Weiss Essen dazu entschieden, Christian Neidhart mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Chef-Trainer freizustellen.“ Vorstandsvorsitzender Marcus Uhlig spricht von dem Abhandenkommen der „totalen Überzeugung, unser Ziel in der bisherigen Konstellation erreichen zu können.“ Den Trainerstuhl übernehmen Sportdirektor Jörn Nowak als Teamchef, U19-Trainer Vincent Wagner und die bisherigen Co-Trainer Lars Fleischer, Carsten Wolters und Fabio Audia.

Jahresrückblick: Endlich geschafft! – Rot-Weiss Essen
Ungewohntes Bild! Sportdirektor Jörn Nowak (l.) nicht im schicken Hemd vor dem Arbeitslaptop, sondern als Teamchef auf dem Fußballgrün. (Foto: Endberg)

Souveräner Auftritt in Rödinghausen

Weil Preußen Münster am darauffolgenden Freitag, nur einen Tag nach der Neidhart-Freistellung nicht über ein torloses Remis gegen Wiedenbrück hinauskommt, ergibt sich Samstagmittag die riesige Chance für Rot-Weiss! Gewinnt das Team, ist die Tabellenführung zurückgeholt. Über Nacht nach Abpfiff der Preußen-Partie verkauft sich der Heim-Bereich des Saisonfinales zwischen RWE und RW Ahlen komplett (!) aus.

Jahresrückblick: Endlich geschafft! – Rot-Weiss Essen
Beim SV Rödinghausen erobert RWE die Tabellenführung zurück. (Foto: Endberg)

Doch Obacht, bevor gefeiert werden kann: Rödinghausen ist ein dickes Brett, das zu bohren bedarf Mühe und Arbeit. Mit der lautstarken Fan-Unterstützung von beiden Hintertor-Tribünen liefert Rot-Weiss jedoch ein wahres Feuerwerk ab. 3:0 am Ende! Das Ohnmachts-Gefühl, man könne nur aufsteigen, wenn der Gegner versagt, ist weg. Die Zuversicht, den großen Sprung zu schaffen, dafür wieder da.

„4. Liga – nie mehr, nie mehr!“

Und so geht der 14. Mai in die rot-weissen Geschichtsbücher ein. Cedric Harenbrock und Simon Engelmann lassen mit ihren Kopfballtreffern keine Zweifel am Sieg, parallel gewinnt Preußen Münster „nur“ 2:1. Nach Tordifferenz steht RWE in einer Saison, in der man Corona überwunden, schmerzhafte Freistellungen hinter sich gebracht und einen inakzeptablen Böllerwurf, mit dem ein herber Punktverlust einherging, hat, ganz oben. Man stelle sich nur vor, das Hafenstraßen-Team hätte 2021/22 nicht 11:0 bei Uerdingen oder 6:1 gegen Bonn gewonnen.

Als Schiedsrichter Niklas Dardenne abpfeift, beginnen Momente, die heute noch allerfeinste Gänsehaut bescheren. Binnen Sekunden stürmen Fans aus allen Richtungen auf das Spielfeld. „4. Liga – nie mehr, nie mehr“, schallt durch das Stadion. Es ist geschafft! Die 3. Liga ist bestellt!

Die kommenden Tage an der Hafenstraße fühlen sich wie im Traum an, auch wenn die Arbeit erst richtig beginnt. Verantwortliche und Mitarbeiter schuften auf Hochtouren, um den Dauerkarten-Ansturm zu bewältigen, den Kader für die neue Spielklasse zu justieren und organisatorische Vorschriften umzusetzen. Mit Drittliga-Goalgetter Ron Berlinski (SC Verl) , den Youngsters Aurel Loubongo (FC St. Pauli) sowie Meiko Sponsel (1. FC Köln), dem gestandenen Mittelfeld-Ass Björn Rother (Hansa Rostock) und Keeper Felix Wienand (Schalke 04) holt sich RWE zusätzliche Verstärkung ins Boot.

Jahresrückblick: Endlich geschafft! – Rot-Weiss Essen
Seit Juni ein Team (v.l.n.r.): RWE-Vorstand Marcus Uhlig, Ex-Fußballprofi und Fußball-Lehrer Christoph Dabrowski sowie Sportdirektor Jörn Nowak. (Foto: RWE)

Die wohl richtungsweisendste Personalie gibt RWE jedoch am 2. Juni bekannt. Essens neuer Chef-Trainer heißt Christoph Dabrowski. Der 44-jährige Fußball-Lehrer war zuletzt in Diensten von Hannover 96 in der 2. Bundesliga unterwegs. Als ehemaliger Mannschaftskapitän vom VfL Bochum weiß „Dabro“ bestens, worauf es im Ruhrgebiet ankommt. „Wir haben den Trainer gefunden, der perfekt in unser Profil passt“, ist Nowak mit seiner Personalentscheidung zufrieden, „wir haben sehr schnell gemerkt, dass wir dieselbe Vorstellung vom Fußball haben: Wir möchten an der Hafenstraße eine Mannschaft sehen, die unsere Fans mitreißt, leidenschaftlichen Fußball spielt und immer besser werden will“, pflichtet im Uhlig bei.

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