3. März 2023

„Kann die Zuschauer mit meiner Spielweise pushen!“

RWE-Abwehrspieler und Comebacker Michel Niemeyer im Gespräch.

Michel Niemeyer bei seinem Comeback gegen Dortmund
Endlich! Michel Niemeyers Leidenszeit ist beendet, gegen Dortmund stand der Außenverteidiger nach langwieriger Verletzung erstmals wieder auf dem Fußballplatz. (Foto: Endberg)

Lange Zeit musste er auf diesen Moment warten: Michel Niemeyer absolvierte beim bislang letzten Heimspiel gegen die U23 von Borussia Dortmund (2:0) sein erstes Pflichtspiel für Rot-Weiss Essen. Verletzungsbedingt hatte es der Linksverteidiger, der im Sommer 2021 vom SV Wehen Wiesbaden an die Hafenstraße gewechselt war, letztmals im August des gleichen Jahres (3:0 beim Bonner SC) in das Aufgebot geschafft. Vor der Partie gegen die SpVgg Bayreuth sprach der 27-Jährige über seine lange Verletzungspause.

Hallo Michel! Nach langer Leidenszeit kannst Du nun endlich für RWE auf dem Platz stehen. Was ist das für ein Gefühl?
Michel Niemeyer: Es ist wunderschön. Ich habe sehr harte und anstrengende Monate hinter mir. Das war die schwierigste Phase meiner Karriere. Mein zuvor längster Ausfall waren drei Monate nach einer Knie-Operation. Umso glücklicher bin ich, nach dieser deutlich längeren Pause zurück auf dem Platz zu sein. Ich habe mir den Traum vom Comeback und dem ersten Pflichtspiel für RWE erfüllt.

Dein Pflichtspiel-Debüt hast Du an der Hafenstraße gegen die U23 des BVB gegeben. Was ging bei Deiner Einwechslung in Dir vor?
Ich war schon vor dem Spiel nervös und aufgeregt, als feststand, dass ich gegen Dortmund im Kader stehe und ich so möglicherweise die Chance habe, eingesetzt zu werden. Als meine Einwechslung dann bevorstand, hat es bis zur nächsten Spielunterbrechung gefühlt ewig gedauert. Als der Moment dann gekommen war, wollte ich einfach nur auf den Platz. Ich hatte es zu dem Zeitpunkt gar nicht so wirklich wahrgenommen, dass die Fans für mich aufgestanden waren und mich mit Applaus begrüßt hatten. Das habe ich dann erst mit ein wenig Abstand realisiert.

Was war für Dich das Schwierigste während der langen Verletzungspause?
Es gab für mich immer wieder Rückschläge. Da war es nicht leicht, fokussiert zu bleiben und weiterhin positiv zu denken. Bei einem Kreuzbandriss weiß man, dass man voraussichtlich sieben Monate ausfällt. Bei mir war die Situation komplexer. Man konnte nicht einschätzen, wie lange ich nicht spielen kann. Nachdem ich zunächst Knieprobleme hatte, wurde bei einer Arthroskopie eine Meniskusverletzung bei mir festgestellt. Nach drei Monaten Reha konnte ich Anfang 2022 zwei Wochen lang wieder mit der Mannschaft trainieren, bevor bei mir eine Schambeinentzündung aufgetreten ist. Das Problem dabei: Der Verlauf ist sehr individuell. Die Entzündung kann nach drei, vier Wochen weg sein – oder auch mehrere Monate lang auftreten.

"Kann die Zuschauer mit meiner Spielweise pushen!" – Rot-Weiss Essen
Niemeyer: „Als Linksverteidiger mag ich es, mich offensiv einzubringen und den Gegner aggressiv unter Druck zu setzen.“ (Foto: Endberg)

Mal ehrlich: Hattest Du zwischenzeitlich Zweifel, ob Du überhaupt noch einmal auf denRasen zurückkehren könntest?
Die Frage, ob es klappt, hatte ich mir eigentlich nicht gestellt, eher wann. Da eben der Zeitpunkt meiner Rückkehr nicht prognostiziert werden konnte, bestand die Gefahr, dass ich auch in dieser Saison nicht mehr einsatzfähig bin und ich am Saisonende nach zwei Jahren ohne Pflichtspiel mir einen neuen Verein suchen muss. Meine Reha habe ich in der Regel von 11.00 bis 16.00 Uhr in Essen absolviert. Dabei standen dann vor allem das Thema Mobility und Kräftigungsübungen für den Rumpf auf dem Plan. Hin und wieder bin ich auch nach München zu einem Arzt gefahren, um mich dort mit Nadeln und Spritzen behandeln zu lassen.

Im Alltag hatte ich zwischenzeitlich schon morgens beim Aufstehen Probleme. Dabei habe ich ein schmerzendes Stechen im unteren Bauch und in der Leiste gespürt. Auch beim Einkaufen hatte ich es gemerkt, wenn ich zu lange unterwegs war.

Wer hat Dir besonders durch die schwierige Zeit geholfen?
Meine Frau Christin war eine enorme Stütze für mich. Sie hatte es während meiner Verletzung nicht leicht mit mir, da ich dazu neige, viele Dinge mit mir selbst auszumachen. Wie auch meine Eltern hat sie es aber immer wieder geschafft, mir neue Kraft zu geben. Dafür bin ich sehr dankbar.

Wie nah warst Du während Deiner Verletzung an der Mannschaft dran?
Ich habe mich immer sehr darauf gefreut, alle zwei Wochen bei den Heimspielen zuzuschauen. Gleichzeitig war ich aber auch traurig, weil ich dem Team nicht dabei helfen konnte, Siege und Punkte einzufahren. Menschlich ist unsere Truppe super. Trotz meiner langen Verletzungspause spüre ich beim Trainerstab und im Team ein hohes Ansehen. Es sind auch so Freundschaften entstanden. Mit Niklas Tarnat, Cedric Harenbrock und Thomas Eisfeld unternehme ich häufiger etwas.

Wann hast Du gemerkt, dass es bei Dir wieder richtig aufwärts geht?
Das war kurz vor dem zurückliegenden Weihnachtsfest. Da war mir klar, dass die Reha und meine Behandlung Früchte trägt. Ich konnte die körperliche Belastung immer besser verkraften und kontinuierlich steigern. Das hat mir zusätzliche Motivation gegeben. Dennoch musste ich aufpassen, es nicht zu übertreiben, um nicht wieder einen Rückschlag zu riskieren.

"Kann die Zuschauer mit meiner Spielweise pushen!" – Rot-Weiss Essen
Von der Vertragsunterzeichnung im Juni 2021 bis zum Pflichtspieldebüt zogen exakt 604 Tage ins Land. (Foto: RWE)

Bei wie viel Prozent siehst Du Dich jetzt schon?
Das kann ich nicht beziffern. Es wird aber sicherlich noch einige Zeit und einige Einsätze dauern, bis ich meinen Spielrhythmus wiedergefunden habe und wieder der alte Michel bin. Wie in der Reha will ich einen Schritt nach dem anderen machen und dabei clever und sachlich vorgehen.

Was hast Du Dir für den weiteren Saisonverlauf mit den Rot-Weiss vorgenommen?
An erster Stelle steht, gesund zu bleiben. Sportlich bin ich guter Dinge, dass uns der Klassenverbleib gelingen wird. Auf dem Weg dorthin wollen wir so viele Siege wie möglich einfahren. Die Gegner sollen Respekt davor haben, wenn sie an der Hafenstraße antreten müssen. Und unsere Fans sollen auf dem Weg nach Hause denken: „Deswegen gehe ich gerne ins Stadion“. Dabei will ich mich mit guten Leistungen für einen Verbleib in Essen empfehlen.

Worauf können sich die RWE-Fans bei Dir freuen?
Ich bin ein Spieler mit viel Tempo und einem guten linken Fuß, der seine Seite rauf und runter marschiert. Als Linksverteidiger mag ich es, mich offensiv einzubringen und den Gegner aggressiv unter Druck zu setzen. Ich denke, ich kann die Zuschauer mit meiner Spielweise pushen.

mehr von der hafenstraße: